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Die Geschichte einer erstaunlichen Erfindung
Z u den interessantesten Erfindungen der
letzten Jahrzehnte gehört zweifellos der
Reißverschluß. Niemand möchte ihn — ganz ge
wiß — zu den großen Erfindungen rechnen,
er ist trotzdem eine derjenigen, die das meiste
Kopfzerbrechen verursacht haben. Weniger für
den Erfinder vielleicht, als für den Gebraucher.
Das Jahr 1891 war die Geburtszeit des Reiß
verschlusses. Ein Amerikaner namens White-
comb Judson war, wie die Historie berichtet,
von Mitleid ergriffen, als er hörte, daß einige
seiner Freunde große Schwierigkeiten hätten,
ihren Frauen schnell und geschickt — beim
Korsettschnüren zu helfen. Seinerseits hatte er
es satt, seine Schnürsenkel immer ins richtige
Loch zu bugsieren und verzwickte Knoten auf
zubringen. Er erfand also ein System von Ösen,
das erlaubte, mittels eines Gleiters je 2 Ösen
miteinander zu vereinigen oder automatisch zu
trennen. Judson ließ diese Erfindung auf der
Ausstellung von Chicago im Jahre 1893
patentieren.
Ein junger Patentanwalt Colonel Lewis Walker
begeisterte sich über diese Erfindung, die seiner
Meinung nach ein Vermögen einbringen konnte
und gründete eine Gesellschaft (Universal
Fastener Company) mit Unterstützung von
Judson. Zwei Jahre lang arbeitete Judson ver
zweifelt daran und hatte schließlich insofern
Erfolg, als er ein Paar Ösenbänder vervoll-
kommnete, die mit einem Gleitsystem vereinigt
oder getrennt werden konnten, um als Schuh
verschluß zu dienen. Der Oberst und Judson
verfertigten einige Modelle mit der Hand,
konnten aber keine Maschine konstruieren, um
die Fabrikation großen Stils in die Wege zu
leiten.
Jahr um Jahr verging. Erst eines schönen
Tages im Jahre 1905 kam Judson, gefolgt von
seinen Arbeitern triumphierend ins Büro Colonel
Walkers gestürzt. Die Maschine war erfunden.
Der Colonel wurde in die Werkstatt geschleppt,
Judson setzte einen Hebel in Bewegung, alle
Welt hielt sich die Ohren zu. Die Maschine biß
ins Metall und einige Augenblicke später hielt
Judson stolz einen leuchtenden Reißverschluß
in der Hand. Toll vor Freude ließ der Colonel
die Sirene der Fabrik heulen und bestellte eine
Tonne Bier, um den Sieg zu feiern. Dann wollte
er selbst einen Reißverschluß fabrizieren. Der
Hebel funktionierte, aber die Maschine war
kaputt . . .
Diesmal gab Judson auf, aber nicht der
Colonel. Er hörte, daß die große Fabrik Westing-
house sich der Dienste eines tüchtigen und
jungen schwedischen Ingenieurs, Gideon Sund
back, versichert habe und bot diesem an, die
Arbeit am Reißverschluß fortzusetzen. Die Ant
wort ließ nicht auf sich warten: „Ich arbeite an
Dynamos und interessiere mich keineswegs für
Ihre Geschichten von Ösen und Gleitern."
Sechs Monate später bekam Sundback zufällig
einen der (mit der Hand fabrizierten) Ver
schlüsse zu sehen. Augenblicklich gab er seine
DER MARIANNEN.QUELLE BLIESKASTEL