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Eine heimatgeschichtlidie Erzählung aus dem Revolutionsjahr 1789
Von K, H o 11 b o t n , Saarbrücken
achtliche Ruhe lag über dem Dörfchen Alsch
bach im Gräflich Leyenschen Oberamt Blies
kastel. Von dem Talweg jenseits der Hügel
kette, die die Gemarkungen Lautzkirchen und
Alschbach von der Residenz Blieskastel trennt,
erklang das Geräusch trabender Pferde. Ein
kleiner Reitertrupp mit einem Planwägelchen
bewegte sich dem in einem Seitentälchen lie
genden Ort zu, der in der Nacht selten von
einem Wanderer aufgesucht wurde. Was in der
nächtlichen Stille aus Alschbach zu hören war,
kam aus Stallungen, das Muhen einer Kuh und
das Aufschlagen eines Pferdehufes. Die größere
Störung der Stille war auf dem Weg, näherte
sich dem Ortseingang. Ein Dutzend kurpfälzi
sche Dragoner vom 600 Mann starken kur-
pfälzisch-kurmainzischen Exekutionsheer, unter
Führung des Obersten, Freiherr v. Jansen,
waren es, die sich einem Bauerngehöft näherten.
Es galt in dieser Nacht die Aushebung eines
als gefährlich bezeichneten Mannes, des Maire
(die Dörfler sagten „Meier") Johann Rothermel,
des „Aufwieglers" braver Untertanen der
Reichsgräfin Marianne in Blieskastel, durchzu
führen. Man schrieb den 8. Dezember 1789. Die
sem Tage waren im Bliesgau Wochen voller
Spannungen vorausgegangen, worüber folgen
des berichtet werden kann.
Noch waren im Rheinland und in der Pfalz
die regierenden Herrschaften und die ihnen die
nenden Beamten nicht so recht im Bild, was
jenseits der Grenze, im nahen Frankreich, ge
schehen war: die Erklärung der Menschenrechte
und die Abschaffung der Adels- und der Kirchen-
Vorrechte durch die Nationalversammlung am
4. August 1789. Die revolutionäre Stimmung
hatte aber bereits auf die Nachbarschaft über
gegriffen. Flüchtlinge und fahrende Leute be
richteten von aufgerichteten Freiheitsbäumen
und von Reden der Volksvertreter über Frei
heit und Brüderlichkeit. In St. Ingbert glimmte
ein Funke zu einem Brand seit längerer Zeit.
Diese Gemeinde führte mit der Herrschaft in
Blieskastel einen Prozeß wegen eines Waldes.
Hier fanden neue Ideen, wie sie aus Frankreich
bekannt wurden, besten Boden und von hier aus
wurden die Gemeinden des Oberamts Blies
kastel aufgefordert, sich auch gegen Ungerech
tigkeit, insbesondere unberechtigte Abgaben,
zur Wehr zu setzen. Ein Hauptwortführer der
St. Ingberter war der Bauer Peter Eich, der von
Gaudorf zu Gaudorf reiste, um bei den Meiern
und Schöffen Stimmung zu machen für die neue
Auffassung über das Herrschaftsrecht. Eich be
suchte auch den Bauern Johann Rothermel, den
weithin bekannten Meier von Alschbach, der
das Vertrauen der Dorfbewohner genoß und
wegen seiner Rechtschaffenheit bei der Herr
schaft in Blieskastel in Ansehen stand. Am
17. September 1789 griff Rothermel zum Stab
und wanderte das Tälchen hinauf, dem Biesin-
ger Berg zu, um über diesen das Dorf Ommers
heim zu erreichen. Alle Meier und Gerichts
leute der Gemeinden des Oberamts waren zu
einer Zusammenkunft nach Ommersheim ein
geladen. Die mündliche Einladung überbrachten
Boten aus St. Ingbert. Der Meier und Schank
wirt Walle zu Ommersheim erwartete die aus
wärtigen Dorfvertreter in seiner Trinkstube, die
St. Ingberter waren frühzeitig gekommen.
Dem im gewohnten Bauernschritt dahergehen
den Rothermel drängten sich widerstrebende
Gedanken auf. Unzufrieden waren auch er und
seine Dorfinsassen. Er kannte die Ursachen und
er dachte an die schwerwiegendste, den seit
einigen Jahren eingeführten Grundbeeren-
(Kartoffel)-Zehnten, den der Herr Pfarrer ein-
treiben mußte, wenn sich kein Steigerer ein
fand. Bisher wurde nur im kleinen Kreise der
Unzufriedenheit Ausdruck gegeben. War diese