87
Weidenruten, Matten aus Binsen und Bast. Sie
bearbeiteten den Flachs mit hölzernen Flachs
brechen, knöchernen Hecheln und hölzernen
Karden. Die Frauen spannen mit der Spindel
das Garn. In den Pfahlbauten der Schweiz
kamen aus dem Seegrund noch ganze Knäuel
Garn und Spulen zum Vorschein. In den Häu-
Kulturpflanzen aus schweizerischen Pfahlbauten
(Nach Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit)
sern der jüngeren Steinzeit wurde die Leinwand
auf dem Webstuhl gewoben. Das Weberschiff
chen und der Weberknoten waren bekannt. Man
stellte Fischnetze her, erzeugte Fransenborden
und Quasten zur Dekoration. Die Steinzeit
frauen verstanden das Knüpfen, Häkeln, Sticken
und Färben. Vielerlei Kunst und Handwerk, das
hier nicht aufgezählt wird, gehörte zur täg
lichen Übung (Abb. 13).
Nimmt man dazu, was die Leute alles in der
Natur gesammelt haben: Bucheckern, Hasel
nüsse, die Wassernuß, Mohn, wilde Äpfel und
Birnen, Beeren, Kräuter, wilden Honig usw. —
nimmt man dazu, was sie im Garten- und Acker
bau kultiviert haben: Weizen in mehreren Arten,
Gerste in mehreren Arten, Hirse, Erbsen, die
Ackerbohne (Saubohne), Flachs usw. (Abb. 14)
— nimmt man die Tiere hinzu, die durch Zäh
mung und Zucht zu Haustieren geworden
waren: Hunde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen
und am Ende der Steinzeit auch schon das Pferd
— bedenkt man die Folgerungen daraus, die
Gewinnung von Milch, Fleisch, Fellen, Leder,
Knochen, Sehnen und Wolle, so rundet sich das
Kulturbild der jüngeren Steinzeit zu einem le
Abb. 15
Steinzeitliches Moordorf Riedschachen
(Nach Reinerth, Das Federseemoor)
bensvollen Gemälde. Der Mann des Neolithi
kums war es schließlich auch, der Kupfer und
Zinn entdeckte und das Gold, womit er am
Ende seinem Zeitalter selbst eine Grenze setzte,
denn mit der Kenntnis dieser Metalle begann
für die Menschheit eine neue Epoche, die
Bronzezeit.
Bei einem solchen Stand der Kultur im vierten
und dritten Jahrtausend vor Christus in unserer
eigenen Heimat nimmt es nicht wunder, wenn
die Ausgrabungen kunstvolle Häuser (Abb. 15),
und ganze Siedlungen (Abb. 16), ja sogar
Festungen mit Wällen, Gräben, Palisaden und
Wehrgängen freigelegt haben. Die Gräber der
Steinzeitmenschen spiegeln ihre gesellschaftliche
Schichtung wider. Die Familie als Urzelle
menschlicher Ordnung spielte dabei die Haupt
rolle. Darüber stand die Großfamilie, die Sippe
und der Volksstamm. Die Gräber zeigen auch,
daß es Reiche und Arme gab, Häuptlinge und
Gefolgschaft (Abb. 17). Uber die Dorfgemein-
Abb. 16 Rekonstruierte Ansicht des Moordorfes Aichhühl (Nach R. R. Schmidt)