Full text: 1953 (0081)

163 
Als Beispiel der spartanischen Jugend 
erziehung, die unsere Eltern genossen, wurde 
uns der Geburtstagswunsch unseres Vaters über 
mittelt, der lautete: Einen grünen Käse oder ein 
lebendig' Tier. Denn der Vater, damals viel 
leicht ein sechs-, siebenjähriger Stöpsel, bekam 
natürlich nicht das lebendige Tier. Er bekam 
den grünen Käse, einen kleinen Zehnpfennig- 
Kräuterkäse, und der Dreikäsehoch, gelinde 
enttäuscht, aber doch glücklich, verspeiste den 
seltsamen Leckerbissen, feingerieben auf butler 
bestrichenes Schwarzbrot gestreut, auf einen 
Sitz. Was blieb? Ein etwas fauligsüßer Nach 
geschmack und der Wunsch: Ein lebendig' Tier. 
Ein Wunsch, der dem Knaben auch weiteihin 
unerfüllt und vielleicht gerade darum noch dem 
Manne unvergessen blieb. 
Die unerfüllten Wünsche sind die liebsten 
Spielgefährten unserer Phantasie. Aus diesem 
Wunderland der unbegrenzten Möglichkeiten in 
die rauhe Wirklichkeit versetzt, behalten sie 
nur selten ihren bezaubernden Glanz. Was nie 
manden hindern wird, erfüllbare Wünsche zu 
erfüllen, und was durchaus nicht dazu ermuntern 
soll, bei jedem Entweder-Oder den bequemeren 
Weg zu gehen, den Kräuterkäse zu wählen oder 
— die Eisenbahn, um damit endlich wieder auf 
die Überschrift zu kommen. Sie war der erste 
Weihnachtswunsch meines kleinen Freundes 
Konrad, der heute etwas über drei Jahre alt 
ist. „Eine Eisenbahn und einen Eimer Dreck“ 
wünschte sich der Zweijährige, wie er seiner 
Mutter ohne lange Überlegung deutlich zu ver 
stehen gab. Was daraus wurde? Natürlich eine 
Enttäuschung. Und zwar eine doppelte, für die 
Eltern nämlich und für Konrad. Als er an Vaters 
Hand die Weihnachtsstube betrat und die präch 
tige, buntbemalte Eisenbahn sah, die sich in 
einer eleganten Kurve um den Weihnachtsbaum 
schlängelte, sprach er die heute bereits ge 
flügelten Worte: „Ist auch Dreck bei?" und be 
gann, trotz aller Ablenkungsversuche und aller 
elterlichen Anstrengungen, die Schönheit der 
Eisenbahn ins rechte Licht zu rücken, das Weih 
nachtszimmer nach dem ersehnten Eimer Dreck 
zu durchsuchen, der wohl einen winterlichen 
Ersatz für die schmerzlich entbehrte sommerliche 
Sandkiste darstellen sollte. 
Heute hat Konrad die Enttäuschung über 
seinen ersten unerfüllten Weihnachtswunsch 
längst überwunden, denn er ist, wie gesagt, gut 
drei Jahre alt. Seine Mutter aber, eifrig be 
müht, aus der Erfahrung zu lernen, erlebte in 
diesem Jahr eine neue Überraschung. Diesmal 
wünscht sich ihr Ältester gar nichts. Der Weih 
nachtsmann habe doch schon eine Eisenbahn 
gebracht, „Das so nügt!" Lachen Sie nicht und 
glauben Sie nicht etwa, Konrads Eltern und 
Freunde nähmen jede seiner Äußerungen als 
eine Weissagung. Diese hat's wirklich in sich. 
Dr. Schulz 
Sanitas-Erzeugnisse 
Biologische Gesundheitspflegemittel 
Dr. Schulz 
Vita-Reform 
Erzeugnisse 
Tr. Schülbe-Weck 
Pelze und Modewaren 
Alleinverkauf der 
M.D.P.-Wäsche für das Saarland 
Püttlingen 
Pickordstr. 30 - Tel. 6067 Völklingen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.