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Von CI. Schmauch
Schon als fünfjährige Knirpse konnten der
Wahnerpeter und ich niemand leiden sehen,
und soweit es in unseren schwachen Kräften
stand, bemühten wir uns, jedem Mitmenschen
aus der Not zu helfen. Nun hatte Peter eine
ältere Schwester namens Katchen, die sich
manchmal herabließ, mit uns zu spielen. Sie tat
das aber nur, wenn keine größeren Kinder in
der Nähe waren, denn sie ging schon ein halbes
Jahr in die Schule, und die paar Sätzlein, die
sie in ihrer Fibel lesen konnte, waren ihr so in
den Kopf gestiegen, daß sie meist über uns die
Nase rümpfte. Deshalb verkritzelte Peter ihr
ABC-Buch mit Rötel, und ich ritzte mit einem
Drahtnagel ein Männchen in ihre Schiefertafel,
das höhnend die Zunge herausstreckte. Aber
leiden sehen konnten wir Katchen nicht, und
als es eines Mittags bitterlich weinend auf der
Haustürschwelle saß, eilten wir ihm sporn
streichs zu Hilfe.
„Wer hat dich gehauen?", da plärrte das Mäd
chen noch lauter, .däpperte' eigensinnig mit den
Füßen und schrie: „Ohrringe will ich haben,
Ohrringe wie die anderen!“ — „Wenn es nur
das ist!" Peter und ich huschten in den Garten,
warfen dort ein paar Steine in den Kirschbaum,
rafften eine Handvoll dunkelrote, glänzende
Kirschen auf und brachten sie der Weinenden.
„Such dir die schönsten aus und häng sie an die
Ohren. Wenn sie dir nicht mehr gefallen, kannst
du sie hinterher essen“, sagte Peter, aber Kat
chen schlug ihm die Kirschen aus der Hand und
schrie: „Das sind nicht die richtigen!" Als es
auch meine mit Silberpapier umwickelte Bohnen
verschmähte, durch die wir mit vieler Mühe
zwei dünne Drähte gezogen hatten, blickten Pe
ter und ich uns ratlos an, und Katchens Mutter
rief durchs offene Stubenfenster: „Du hast ja
noch keine Löcher in den Ohren."
Da sprang das Mädchen auf die Füße, schüt
telte die zerknitterten Röcke wie ein badender
Spatz sein Federkleid und rannte fort. „Du, da
müssen wir dabei sein!" Peter und ich folgten
Katchen von Haus zu Haus, aber keine Nach
barin war bereit, dem eitlen Ding zu helfen.
Als schließlich auch die alte Lentesgroß ver
sagte, sprach Peter zu der untröstlichen Schwe
ster: „Was gibst du uns, wenn wir dir Löcher
in die Ohren bohren?"
„Ihr?" Katchens Schluchzen verstummte, und
es sah uns zweifelnd an. „Ja wir!" Peter wühlte
in seinen Hosentaschen. „Ich geb' euch die Glas
klicker mit dem bunten Regenbogen."
„Das ist zu wenig."
„Und den roten Gummiball mit den gelben
Streifen."
„Dann komm!" Im Wahnergarten deutete Pe
ter auf den leeren Sensenstein, zog einen rosti
gen Hufnagel aus der Hosentasche und den
Dengelhammer aus der hinteren Stalluke und
sagte zu Katchen: „Knie dich hin!"
Das Mädchen erblaßte und wich zurück. Peter
aber sprach: „Es schmerzt kein bißchen, denn
gestern stand unser Fuchs mäuschenstill, als
ihm der Schmied ein neues Hufeisen auflegte
und acht Nägel in seinen Fuß schlug." Das
schien Katchen einzuleuchten und nachdem wir
ihm versichert hatten, sofort aufzuhören, wenn
es aufschreie, kniete es sich neben den Stein,
und Peter ermahnte mich, das Ohrläppchen
straff anzuziehen, daß es recht dünn werde und
ein einziger Hammerschlag genüge.
„Gelt, du haust aber nicht neben den Nagel",
bettelte Katchen, da hatte Peter schon zu
geschlagen, und das jäh aufspringende Mädchen
schrie, als stecke es am Spieß.
„Aber — ich — ich habe doch den Nagel ge
troffen!"
„Jawohl, mitten auf den Kopf!" Ich hätte es
beschwören können, aber da eilten schon die
Leute herbei, und wir sahen erst jetzt, daß der
Nagel im blutenden Ohr des Mädchen steckte.
Meine Mutter und die Wahnerin schwangen
ihre Birkenruten, daß wir wie Tanzbären von
einem Fuß auf den anderen hüpften, und tief
gekränkt gelobten Peter und ich hinterher, nie
mehr einem eitlen Mädchen aus der Not zu
helfen.
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