über dem Schloß steht eine riesige Feuer
wolke und beleuchtet Saarbrücken. Jede Einzel
heit weithin ist so genau zu erkennen, daß man
sagen kann, das Bild sei architektonisch ge
malt. Die alten, originalen Stengelschen Schloß
formen sind bis auf den bereits eingestürzten
Dachstuhl ein letztes Mal wie dokumentarisch
festgehalten: die wohlgegliederte Dreistöckig-
keit nämlich, die man später in gedrungeneren
Proportionen wiederherstellte, so daß dieses
heute stehende Schloß in Wirklichkeit nur ein
Schatten seiner selbst ist. Die Schloßkirche
steht in ihrer ganzen, zwei Stilen entlehnten
Schönheit da. Uber ihr Dach lugt der Turm des
Alten Rathauses. Alt-Saarbrücken weist unter
seinen malerischen Dächern und im Gedränge
seiner Häuser am Saarufer sogar ein Fachwerk
haus auf. Das Brückentor auf der Saarbrücker
Seite gehört auch längst der Vergangenheit an.
Und links davon erblickt man in tagheller Be
leuchtung noch den ganzen langgestreckten
Trakt des 1764 von Stengel erbauten Oberamts
gebäudes nebst angegliederten Privathäusem
auf dem Saarkai zu Füßen des Schloßberges.
Davon steht heute nur noch ein Fragment. Der
dem Brückentor nächstgelegene rechte Flügel
insbesondere fehlt. Das war das Haus des Re
gierungspräsidenten v. Günderode, wo Goethe
abstieg, als er 23 Jahre vor dem dargestellten
Ereignis in Saarbrücken weilte. Der jetzige
Goethe-Gedenkstein dort an der Schloßmauer,
wo vordem das Haus stand, ist nur eine karge
Erinnerung. Aber selbst aus einem Bilde, das
die Vernichtung darstellt, lassen sich, wie man
sieht, eine Menge Dinge rekonstruieren.
Daß sich im Feuerschein ganz verschiedene
Städte gegenüberliegen, zeigt der Gegensatz
der Tore zu beiden Seiten der damals noch
mit erkerförmigen Vorsprüngen versehenen und
nach dem Hochwasserunglück gerade sieben
Jahre vorher wiederaufgebauten Alten Brücke.
Das Saarbrücker Brückentor gehört als wich
tige Komponente und repräsentativer Abschluß
zur ragenden Baumasse von Schloß und Schloß
kirche, während das St. Johanner Saartor sich
wie ein Vorhof der Bürgerstadt nach der fürst
lichen Residenz hin öffnet.
Erst 1764 war das Saar- oder Brückentor am
Ende der Saarstraße in St. Johann in dieser
Form neu errichtet worden, so daß sich ein
unregelmäßiger siebeneckiger Platz ergab, der
mit einer kleinen Mauer und lauter vasen
besetzten Pfeilern darauf eingefaßt war. Zwi
schen den Pfeilern gab es kostbare, schmiede
eiserne Gitter. Die Pfeiler mit Vasen sind im
Bilde noch vorhanden, die Gitter aber sind in
diesem Sturmjahr 1793 schon geplündert. Das
Bild ist von einem der zunächst der Brücke
stehenden Häuser geschaut, so daß man den
Platz und neun jener Pfeiler in halber Drauf
sicht gerade vor sich hat. Der Maler wohnte ja
als St Johanner Bürger aus der Brückengasse
nicht weit davon entfernt. Eine Menschen
ansammlung betrachtet von hier aus das grau
sige Schauspiel. Es paßt zur übrigen Genauig
keit, daß die Personen porträtgetreu und
namentlich festzustellen sind. Mit anderen Ho
noratioren ist Daniel Bruch, der Wirt vom
,,Stiefel", sogar in seiner Nachtmütze herbei
gelaufen. Aber nicht nur müßige Zuschauer
sind da, sondern auf der Brücke eilt ein Trupp
St. Johanner Bürger mit der Feuerspritze eben
zum Löschen, mit eben derselben Spritze, die
noch heute im Hof des Saarland-Museums steht
und die Jahreszahl 1781 trägt.
Natürlich wird man vor diesem Bilde nach
Grund und Schuld beim Schloßbrand fragen. Es
war Krieg, wenn auch von geradezu bieder-
meierlichen Ausmaßen im Vergleich zum letz
ten, der wiederum in einer Oktobernacht dem
zweiten Schloßbrand verursachte. Saarbrücken
war damals Frontgebiet, denn den Franzosen,
die es besetzt hielten, standen die preußischen
Truppen schon dicht vor St. Johann gegenüber.
Wenn in dieser Situation Marodeure Feuer ans
Schloß legten, war es sicherlich nicht im Sinne
des französischen Kommandanten, General De-
launay, der — allerdings erfolglos — nach den
Brandstiftern fahndete. Wurde doch die beim
Brand eingetretene Verwirrung von Blücher-
schen Reitern zu einem Überfall ausgenutzt.
Standen doch französische Munitionswagen im
Schloßhof, die eben noch abgefahren werden
konnten. Lagen doch mehrere hundert kranke
und verwundete Franzosen im Südflügel des
Schlosses und wurden erst von den löschenden
Bürgern geborgen, während zu gleicher Zeit
auch der Gebäudeteil gerettet werden konnte.
Der Schloßbrand und damit das Bild liegen
genau in der Mitte von Dryanders 40jährigem
Malerschaffen, wenn wir es mit seiner Lehre
beim Hofmaler Samhammer beginnen lassen.
Vordem malte er höfisch, nachdem bürgerlich.
Um so einleuchtender ist die Bedeutung dieses
Bildes für ihn selbst. Ja, er malte es sogar
zweimal.
Aber auch der andere große und genam
gleichaltrige Saarbrücker Maler, Kaspar Pitz,
hat den Schloßbrand in einem Bilde festgehal
ten, das im selben Gemäldemagazin schlum
mert. Ob er selbst Augenzeuge war, ist zweifel
haft. Pitz, damals Hofmaler in Zweibrücken,
ging um diese Zeit nach Prag, wo er schon
zwei Jahre später nicht, wie man sagte, von
Nebenbuhlern vergiftet worden, aber an der
Schwindsucht gestorben ist. In Zweibrücken
sah es nicht anders aus als in Saarbrücken.
Auch Pitz stand an einer Lebenswende. So ging
er in Prag zu seinem Gönner Jean Baptist
Bordier, den er 1790 als letzten Abt von Wad
gassen gemalt hatte. Das Porträt gehört zu
seinen besten Bildern und zugleich zum kost
barsten Bestände des Gemäldemagazins. Es ist
von ungewöhnlich großem Format und über