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Die alle Garde der Saargruben:
Besuch bei unseren Jubilaren
Von 1n g e b o r g M a r g ai t, Saarbrücken
I m Anfang war das Wort“ übersetzt Goethes
Faust, um dann sich verbessernd, sich
steigernd in Erkenntnis einer tiefen Wahrheit
das hohe Bekenntnis zu echtem Mannestum ab
zulegen: „Im Anfang war die Tat!" — Die Tat
— aus Urzeiten von Gott den Menschen zum
Beispiel gegeben. Sie allein beglückt und be
friedigt den Sterblichen. Sie hält sein Leben in
einem festen Rahmen und hilft ihm über schwere
Zeiten hinweg. Was aber ist Tat anderes als in
positivem Sinne geleistete Arbeit? Deshalb gilt
diese Erkenntnis nicht allein für den über
durchschnittlichen Menschen — den großen
Wissenschaftler etwa oder den berühmten
Staatsmann, sondern steht mit der gleichen Be
rechtigung auch als Leitmotiv über dem Leben
der Werkmänner in Hütten und Fabriken, der
Bergleute, die tief unten im Schoß der Erde die
Kohle graben, — der Bauern, die mit kräftiger
Faust den Pflug durch den Acker stoßen, um
ihn vorzubereiten zu neuer Saat — der Ange
stellten in den Büros — der Kaufleute, Lehrer,
Künstler. — Sie alle, die Schaffenden — sind
Menschen der Tat. Das Resultat ihrer Arbeit
prägt das Antlitz unserer Zeit, und ihr Wirken
gleicht Mosaiksteinen, die sinnvoll zusammen
gesetzt das allumfassende, trotz aller Scheuß
lichkeiten gewaltige Gemälde unseres Jahr
hunderts darstellen.
Es hätte keinen Sinn, die Arbeit der Schaffen
den zu idealisieren. Sie ist hart und schwer,
und der Anblick einer schwieligen, zerschun-
denen Arbeiterfaust würde mit einem Schlag
alle süßlichen Lobpreisungen vernichten. Der
Fluch Gottes ruht noch auf ihr: „Im Schweiße
deines Angesichts sollst du dein Brot ver
dienen". Aber dieser Fluch verkehrt sich in
Segen, sobald das Schaffen vom Menschen
nicht als Strafe angesehen wird, sondern als
einzige Möglichkeit, das Leben durch die Tat
lebenswürdig zu gestalten. Segen ruht auf
der Arbeit, wenn sie freiwillig über
nommen und freudig und eifrig ausgeführt wird.
Davon wissen unsere Jubilare zu sagen, die
in 50- bzw. 40jähriger treuer Pflichterfüllung
ihre Kraft den Saargruben zur Verfügung
stellten, wenn sie diese Gedanken auch nicht
alle bewußt aussprechen. Und dies — trotzdem
auch ihre Arbeit Tribute von ihnen gefordert
und Spuren in die meist hageren Gesichter der
Männer gegraben hat. Einige dieser Jubilare
haben wir aufgesucht. Ihr Leben, das hart und
voller Mühe gewesen ist, sei Symbol für das
Leben aller anderen auch.
Ihnen und all den Ungenannten drücken wir
in Ehrfurcht die Hand und rufen ihnen für ihren
Lebensabend ein herzliches „Glück auf" zu.
*
Auf dem Wege zum Steinkohlenbergwerk
Reden. Bergmannsorte zwischen Wälder und
grüne Wiesen gebettet — Bergehalden, die sich
bis dicht an die Straße schieben — in nicht all
zu weiter Ferne immer wieder die hohen
Förderräder der Gruben. Im Wald hinter Quier
schied begegnet uns eine große Kolonne Berg
leute. Bedächtigen Schrittes steigen die Männer
in Richtung Grube Maybach den Berg hinan.
Schichtwechsel. — Biidstock liegt verlassen unter
der mittäglichen Glut der Sonne. Und hier nun
das große, rote Backsteingebäude der Grube
Reden-Fett. Am Eingang die überlebensgroße
Plastik eines Bergmanns. Das Innere — nicht
w T ie wir uns einen Grubenbetrieb vorstellen.
Keine Spur von Kohlenstaub. Der Treppenauf
gang hell geplättet — links geht es zu den
Waschkauen — rechts liegen die Steigerbüros
und die Räume der Direktion.
Wir haben Glück — erwischen den 56jährigen
Steiger Friedrich Riedschy aus Landsweiler
Steiger Friedrich Riedschy im Steigerbüro
gerade noch, bevor er zum Essen nach Hause
geht. Er hat nicht viel Zeit für uns, denn für
den frühen Nachmittag ist eine der üblichen
Betriebsbesprechungen anberaumt. Aber dennoch
erzählt er uns in kurzen Worten seinen Werde
gang:
Als Sohn eines Bergmannes fuhr er am
30. September 1910 in Camphausen an. Zunächst
war er über Tage bei der Kohlenaufbereitung
und auch im Bürodienst beschäftigt. Mit