Full text: 1952 (0080)

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Schienbeinverletzungen 
Schienbeinverletzungen ereignen sich sowohl 
im Untertagebau als auch im Ubertagebetrieb, 
hauptsächlich aber unter Tage bei Kohlenabbau 
durch herabfallendes Gestein und Kohle, des 
gleichen an den Übergangsstellen der Band 
maschinen, durch umfallende Werkstücke usw., 
obgleich ein großer Teil der Bergleute Schien 
beinschützer trägt. 
Wegen der Behandlung dieser Verletzungen 
haben wir uns mit Herrn Chefarzt Dr. Hon- 
necker in Verbindung gesetzt, um die für die 
Bergleute beste Behandlungsmöglichkeit, die 
auch den neuesten Erkenntnissen der Medizin 
Rechnung trägt, für alle Saargruben einheitlich 
einzuführen. 
Als Ursache dafür, daß Schienbeinverletzun 
gen, auch wenn sie geringfügiger Natur sind, 
oft einen langwierigen und komplizierten Hei 
lungsverlauf nehmen, führt Dr. Honnecker an: 
1. Die Tatsache, daß die Haut über der Schien 
beinkante stark gespannt und wenig durch sub 
kutanes Fettgewebe gepolstert ist; daher stär 
kere Zugspannung der Haut und schlechtere 
Heilungstendenz. 
2. Die Schienbeinwunden werden besonders 
dann, wenn sie kleinerer Ausdehnung sind, von 
dem Betroffenen in Unkenntnis dieser Erfah 
rung als unwesentlich betrachtet, woraus sich 
entsprechende Widerstände des Verletzten ge 
gen eine energische Behandlung ergeben. 
3. Besteht einer der wesentlichsten Gründe 
für die schlechte Heilung dieser Wunden darin, 
daß auch bei sachgerechter Behandlung durch 
die eingesetzten Heilgehilfen diese Wunden 
durch den Schweiß der Haut bei der Arbeit aber 
noch wesentlich mehr durch das Wa 
schen nach der Schicht in der 
Waschkaue von einer evtl, deckenden Fi 
brinschicht wieder befreit werden, so daß mit 
einer gewissen Regelmäßigkeit von etwa 24 
Stunden die Wunde erneut aufweicht und eine 
inzwischen entstandene Deckschicht immer wie 
der abgelöst wird, wodurch meist Infektion 
eintritt. 
Herr Dr. Honnecker hält es für unbedingt er 
forderlich, auch den kleinsten Schienbeinver 
letzungen in den Verbandstuben die erforder 
liche Sorgfalt zuteil werden zu lassen, da auch 
kleinste Wunden über der Schienbeinkante sich 
in kurzer Zeit zu ausgedehnten flächenhaften 
Geschwüren entwickeln können, wenn die 
Wunde nachlässig oder falsch behandelt wird. 
Keine Wunde darf mit irgendeiner Salbe be 
handelt werden, sondern ist mit dem vorhan 
denen Sulfonamidpuder einer Trockenbehand 
lung zu unterziehen. Für die Zeit der Schicht 
und des Waschens in den Waschkauen werden 
wasserdichte Verbandpflaster empfohlen, ob 
gleich sie die Atmung der Haut und damit den 
Heilungsprozeß etwas beeinträchtigen; sie ver 
hindern jedoch das regelmäßige Abreißen und 
Aufweichen der Wunde, wenn der Verband 
wechsel erst nach dem Waschen in der Ver 
bandstube vorgenommen wird und für die ar 
beitsfreie Zeit ein luftdurchlässiger Schutzver 
band angelegt wird. 
Um zu verhindern, daß der Entzündungs 
prozeß durch weitere Belastung des Beines bei 
der Arbeit fortschreitet, empfiehlt er in allen 
Fällen, bei denen sich nach 2—3 Tagen ent 
zündliche Infiltrationen der Wundumgebung 
einstellen, strenge Ruhebehandlung unter ärzt 
licher Aufsicht. In allen Fällen, in denen inner 
halb einer Woche die Wunde nicht mit einer 
deckenden Borke bedeckt ist, empfiehlt er 
Krankenhausbehandlung, welche mit weniger 
Unkosten und Arbeitsausfall verbunden ist und 
viel schneller zum Erfolg führt, als eine ver 
schleppte Behandlung, bei der sich häufig rezi 
divierende Unterschenkelgeschwüre mit den 
entsprechenden Veränderungen am Bein ein 
stellen. 
In allen Fällen, bei denen nach 2—3 Tagen 
sich eine entzündende Infiltration der Wund 
umgebung zeigt, ist m. E. die strenge Ruhe 
behandlung unter ärztlicher Aufsicht angezeigt, 
falls man nicht das Risiko eines Fortschreitens 
der entzündlichen Infiltrationen und damit einer 
weiteren Verzögerung der Heilung durch weite 
res Belasten des Beines bei der Arbeit auf sich 
nehmen will. 
Obwohl nicht rein schematisch vorgegangen 
werden kann, empfiehlt sich bei allen Schien 
beinwunden, die innerhalb einer Woche nicht 
mit einer deckenden Borke abgedichtet sind und 
reizlose Umgebung zeigen, die Überweisung 
zum Unfallarzt in das entsprechende Kranken 
haus zur weiteren Entscheidung. Es wird sich 
in sehr vielen Fällen erweisen, daß eine strenge 
Ruhiglagerung im Bett unter dem Zwang des 
Krankenhauses rascher zum Erfolg führt und 
weniger Arbeitsausfall und Unkosten ver 
ursacht, als eine verschleppte Behandlung, wo 
bei häufig das Endresultat das rezidivierende 
Unterschenkelgeschwür mit den entsprechenden 
Veränderungen am Bein die Folge ist. 
Es muß hier m. E. weitgehend Gebrauch ge 
macht werden von dem Behandlungszwang, falls 
man mit einheitlichen Methoden zu einem er 
folgreichen Ziele kommen will.
	        
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