124
Sommertag
E ine der schönsten Gegenden des Saarlandes
ist der Gau, der wellige Bergrücken
zwischen unterer Saar und Obermosel, dessen
sanft geschwungene Höhen und Hügel wie zu
Stein erstarrte Meereswogen anmuten. Flach
gerundete Kuppen begrenzen seine Kammland
schaft in der Ferne, die in langgezogenen,
weichen und rhythmischen
Wellen zu Tal fließen.
Wie köstliche Musik
nimmt man hier oben den
ewigen Wechsel der weit
gespannten Flächen, der
sanften Hügelketten und
flachen Muldentäler von
Wiesen und Feldern in
sich auf. Kleine Dörfer
lugen in der besinnlichen
Mittagsstille des klaren
Junisonntags verträumt
aus buschigem Obstbaum
grün hervor. Das dichte
Laubgehölz auf der run
den Kuppe, in dessen
Blättern der frische Tal
wind und zitternde Son
nenlichter spielen, schlie
ßen den Horizont über
dem Dorf ab. Tief geduckt
schmiegen sich die meist zweistöckigen, lang-
firstigen Bauernhäuser mit ihrem breiten Flach
dach, auf dem manchmal noch dunkelrote
Burgunderziegel leuchten, dem Wellenspiel von
Tal und Höhen an. Vollendeter Rhythmus liegt
in der Gaulandschaft und selten findet man
einen solch innigen Zusammenklang von mensch
licher Siedlung und seinem Boden wie hier.
Schon äußerlich bekundet der Mensch die tiefe
Verbundenheit mit seiner Heimaterde.
Vom Hang lugt hie und da — im grünen
Blattwerk halb versteckt — ein altersge
schwärztes Hofdach über ockerfarbigen Front
wänden ins Tal hinunter und grüßt den ein
samen Wanderer.
Ähnlich wie diese einsam liegenden Gehöfte
von heute müssen wohl die alten römerzeit
lichen Wirtschaftsgüter und „Villen“, angebaut
am halben Hang unserer Flußtäler, ausgeschaut
haben.
Auf der Höhe lohnt ein herrlicher Rundblick.
Im Duhstgeflimmer des heißen Sommertages
verschwimmen die Täler von Saar und Mosel.
Wir schauen ins kleine Bachtal hinab, aus dem
wir soeben heraufgekommen sind. Am frischen
Höhenwind haftet noch die feuchte Kühle des
nahen Bergwaldes. Ein kurzer Windstoß trägt
den pulvrigen Kalkstaub des Feldweges, der
sich mühsam den Hang emporwindet, hoch in
die Lüfte. Vor den flachgewölbten, schwin
genden Höhenzügen, die sich fast ins Unend
liche dehnen, drängen sich an den windge
schützten Muschelkalkhängen Obstbaumhaine
dicht zusammen und erwecken den Eindruck
einer Parklandschaft oder „Englischen Gartens“.
Am murmelnden Bach des kleinen Wiesentales,
das sich in lustigen, raschen Windungen ab
wärts schlängelt, stehen inmitten der mit
Latten eingezäunten Viehpferche knorrige Nuß
bäume neben Salweiden und hochaufgeschos
senen, schmalen Pappeln. In dösiger Zufrieden
heit grasen auf den feuchten, fetten Wiesen
Kühe zu beiden Seiten des Bachlaufs.
Dahinter liegt das Dorf.
Geheimnis- und erwartungsvolle Stille hüllt
uns ein. In lautloser Ruhe liegt der Ort.
Vor der Kirche stehen die für den Gau
charakteristischen schönen Laufbrunnen mit
Waschhaus. Silbrig blinkendes Wasser fällt in
steinerne oder hölzerne Brunnentröge.
Vor dem Eingang unseres Gaudorfes liegt
an einer Weggabelung der kleine Kirchhof.
Junge Birken, Linde und Lebensbaum grünen
hinter der niedrigen Kalksteinmauer. Doch das
blanke Kupfer der neugezogenen Telegraphen-
Landschaft aus der Dreiländerecke: Sierck