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UNSERE JUBILARE
I.
Wer vierzig oder sogar fünfzig Jahre im Berg
bau oder in den dem Bergbau angegliederten
Betrieben gearbeitet hat, der kann von sich
sagen, daß er der gesamten Menschheit große
Dienste — ja sogar Dienste der Nächstenliebe —
geleistet hat.
Dieser Tatsache sind wir uns alle nicht an
jedem Tage unseres Arbeitslebens voll bewußt
geworden. An vielen Tagen unseres Lebens
sind wir, bedingt durch unser eigenes Erleben,
in der eigenen Person oder im Hinblick auf das
Zusammenleben mit unseren Eltern, Ge
schwistern, unserer Frau, unseren Kindern,
unseren Verwandten und Kameraden, sowie
unserer engeren und weiteren Umgebung, nicht
zu der Erkenntnis gelangt, daß wir unsere
Arbeit im Dienste des Nächsten verrichteten
und täglich neu verrichten.
Wer von uns — die wir zu den Jubilaren
gehören — und darüber hinaus alle die
arbeitenden Menschen — dachte und denkt am
Morgen, wenn wir uns vom Schlaf erheben und
uns anziehen, wo das Hemd, der Anzug, die
Strümpfe und die Schuhe, die Mütze oder der
Hut „gewachsen" und angefertigt worden sind?
Wer denkt beim Essen des Brotes an den
Bauer, der den Roggen oder den Weizen gesät
und in menschlicher Sorge um das Gedeihen
gehegt und gepflegt hat bis zur Ernte?
Sehen wir den Müller und den Bäcker und
die Menschen, die hinter der Mühle und hinter
der Backstube stehen?
Sehen wir auf dem Wege von und zur Arbeit,
wer hinter der Straße, hinter dem Fahrrad,
hinter dem Autobus, hinter der Eisenbahn,
hinter dem Förderkorb, hinter dem Ventilator
usw. steht?
Sehen wir bei unserer Arbeit mit Schlägel
und Eisen, mit dem Pick- und Bohrhammer, mit
der Schräm-, Schäl- und Lademaschine, wer und
was hinter diesen Arbeitsgeräten steht?
Sehen wir beim Drehen des Schalters an der
elektrischen Lichtleitung, um der durch den
Schalter gestoppten Energie den Weg zur
Brennstelle freizugeben, was und wer hinter
dem Schalter steht?
überall können wir, wenn wir wollen, bei
allen Vorgängen in unserem Leben und Wirken
den wirkenden Mitmenschen, den Nächsten
sehen, gleich wessen Standes oder Berufes oder
Geschlechtes er ist.
Nicht selten betrachten wir das, was uns um
gibt und mit uns lebt, als eine Selbstverständ
lichkeit!
Wir empfinden nur dann das Nichtvorhanden-
sein des Nächsten — auch den aus der weiten
Welt —, wenn das Fehlen eines Gutes uns am
Magennerv kitzelt oder uns auf der eigenen
Haut oder den eigenen Füßen oder dem eigenen
Gehirn oder durch den Heimgang eines lieben
Menschen sich unangenehm bemerkbar macht.
Erkennen wir: So wie unsere eigene Hand
— die ein wunderbares Kunstwerk aus Gottes
Schöpferhand darstellt — den eigenen Körper
bedient, so bedient der Nächste den Nächsten
in der nächsten Umgebung und der ganzen
weiten Welt durch die Arbeit.
Wer den inneren Wert der Arbeit kennen
lernen will, muß den Kranken, den Arbeits
unfähigen oder den Arbeitslosen — Nächsten —
fragen, was er innerlich durch das Unvermögen,
Arbeit zu leisten, empfindet.
Arbeit ist der Segen Gottes für die von ihm
erschaffenen Menschen in der von ihm er
schaffenen Welt.
Ihr, liebe Freunde und Jubilare, habt das
große und seltene Glück gehabt, in vierzig-
oder gar in fünfzigjähriger Tätigkeit dem
Nächsten zu dienen.
Dieses Dienen wurde Euch nicht immer leicht
gemacht. Ihr hattet oft berechtigte Ursache ge
habt, mit Eurem Los unzufrieden zu sein. Auch
in der Zukunft werden nicht alle Sorgen von
Euch genommen sein.
Eines jedoch steht fest: Ihr habt Eurer Ver
pflichtung gegenüber dem Nächsten Genüge ge
leistet. Das wird durch das sichtbare Ergebnis
Eurer Arbeit und Eures Wirkens in der Zeit
von 1900 bis 1950 in unserer engeren Heimat
und in der weiten Welt — trotz zweier Welt
kriege — für jeden, der guten Willens ist, er
kennbar.
Mögen die Kommenden dieses Ergebnis
Eurer Arbeit als ihre Verpflichtung Euch gegen
über erkennen, damit auch sie am Ende ihrer
Arbeitstätigkeit von sich sagen können: Wir
haben in unserem Arbeitsleben der Nächsten
liebe den vollen Tribut geleistet.
In dieser Gesinnung wollen wir dem Feier
abend unseres Lebens entgegengehen. Zu
diesem Weg ein
Frohes GLÜCKAUF!
II.
Am 30. April 1950 waren
3 Angestellte und 6 Arbeiter 50 Jahre u.
34 Angestellte und 215 Arbeiter 40 Jahre
ununterbrochen in den Diensten der Saargruben be
schäftigt.
In 191 Fällen war der Vater und
in 136 Fällen der Vater und der Großvater bei
den Saargruben beschäftigt.
Von den Jubilaren arbeiten 90 Kinder im Saarbergbau.
Von 1 Jubilar arbeiten 4 Söhne,
von 2 Jubilaren arbeiten je 3 Söhne,
von 18 Jubilaren arbeiten je 2 Söhne und
von 44 Jubilaren arbeiten je 1 Sohn
in den Betrieben der Saargruben, in welchen ihre
Väter 50 bzw. 40 Jahre tätig sind.