Full text: 1951 (0079)

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Von dem Lob und den Belehrungen der bei 
den Zuschauer angeeifert, bemerkte der Jok zu 
spät die Futterluke und stürzte hinab, mitten 
unter die ausschlagenden Kälber und Kühe. 
„Um Gottes willen! du bist doch nicht fehl 
getreten!“ schrie die Ev auf und folgte der 
Mutter in den Stall. 
Dort trat ihnen der Jok, seinen Schmerz 
mannhaft verbeißend, entgegen und sprach: 
„Wo denkt ihr hin, ich bin nur ins Kirchen 
schiff zu den Frauenstühlen herabgestiegen!" 
Das Rezept 
Der Jochnickel hatte drei Tage auf einer Hoch 
zeit geweilt und legte sich nach seiner Heim 
kehr ins Bett, jedes Essen und Trinken ver 
schmähend. „Du wirst dir doch nicht den Magen 
verdorben haben“, sorgte sich sein Weib und 
kochte allerlei Tränklein, um das Übel auszu 
treiben. 
Aber je mehr Tee der Kranke trank, um so 
hitziger ward sein Geblüt, und die Marei eilte 
zum Viehschang, der auch die Leute mit allerlei 
Hausmitteln kurierte. „Komm, wie du gehst und 
stehst, und helfe meinem Mann", sagte sie zu 
ihm. Er glüht wie ein Backofen, hat einen stein 
harten Leib und rührt schon seit drei Tagen 
keinen Löffel mehr an." 
Da sputete sich der Viehschang, aber nachdem 
er Nickel eine Weile den Bauch geknetet hatte, 
ohne daß dieser eine Linderung verspürte, 
sprach er: „Du hast dich bei der Hochzeit zu 
tief ins Fett gekniet, und wenn das nicht von 
dir weicht, kann dir das Fieber den Tod 
bringen." 
Da rang die Marei die Hände und jammerte: 
„Dann gib ihm doch etwas ein. Du hast ja auch 
unserer Kuh geholfen, als sie sich am nassen 
Klee überladen hatte." 
„Was für eine Kuh gut ist, taugt noch lange 
nicht für einen kranken Menschen“, ent- 
gegnete der Viehschang, und da ihm gerade 
kein besseres Mittel einfiel, meinte er: „Viel 
leicht hilft die halbe Flasche voll Ameisen 
schnaps, die daheim im Schäffchen steht." 
Ein Weilchen später neigte sich die Marei 
über den Stöhnenden, aber statt seinen stein 
harten Leib mit dem Schnaps einzureiben, sagte 
sie: „Am besten trinkst du die Flasche in ein 
paar Zügen aus —." 
„Und die Ameisen, die darin herum schwim 
men?" 
„Die sind lange tot und können dir nicht mehr 
schaden." 
Da schloß der Jochnickel ergebungsvoll die 
Augen, nahm einen kräftigen Schluck und fuhr 
im Bett empor, als hätten ihn hundert Nadeln 
gestochen. 
„Kreuzelement, das ist das reinste Höllen 
feuer!" 
„Im Branntwein der Bläß war sogar Pfeffer 
und Salz — und was gut schmeckt, hat noch nie 
geholfen", tröstete die Frau und stützte dem 
Kranken das Kreuz, um ihm das Trinken zu 
erleichtern. 
„Himmelschockschwerenot, das hält ja kein 
Teufel aus!“ jammerte der Jochnickel nach der 
zweiten Probe und stöhnte und schnaubte, als 
würgten ihn zehn Hände. 
„Jetzt noch ein einziger Schluck, und du hast 
es überstanden", drängte die Frau und preßte 
dem Widerstrebenden die Flasche gegen die 
Lippen, bis er sie fortschlug, mit einem Satz 
aus dem Bett sprang und schrie: „Tausend 
Ameisen kribbeln und krabbeln im Leib herum 
und wollen hinten und vorn heraus!" 
Bevor die Marei etwas erwidern konnte, war 
er in die Hose und die Pantoffeln geschlüpft 
und auf ein stilles Örtchen verschwunden. 
Zurückgekehrt sagte Nickel: „Jetzt schlag' mir 
ein halbes Dutzend Eier in die Pfanne! Und 
dem Viehschang schick' die längste Grauwurst, 
die im Harschd hängt, denn ich fühle mich kern 
gesund." 
Wie der Viehschang erfuhr, wie rasch sein 
Mittel geholfen hatte, lächelte er verschmitzt 
und sprach: „Ich habe es schon immer gesagt, 
was außen hilft, hilft auch innen —." 
Das verschwundene Kind 
Als der Lochsepp Vater wurde und ein stram 
mer Stammhalter in den Windeln schrie, 
schlachtete er sein fettes Schwein und empfahl 
der „Schwiermudder", einen Viertelzentner 
Weißmehl zu verbacken. „Bei der Kindtauf 
soll es nicht an Fleisch und Kuchen fehlen, und 
das Fäßchen Bier ist schon bestellt", brüstete er 
sich vor den Kameraden seiner Partie und lud 
sie nach der Schicht zu einer kleinen Vorfeier 
ein. 
Zwei Stunden nach Zapfenstreich kehrte Sepp 
mit einem Rausch heim und „sang so hart wie 
ein Knochen". In der Nähe seines Hauses aber 
fiel ihm ein, daß eine Kindbetterin Ruhe
	        
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