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Das Lumpengret hatte längst das Gewerbe
an den Nagel gehängt und lebte jetzt auf dem
Hof des Sohnes, wo sie wie eine Junge arbei
tete, trotzdem sie schon auf die Siebzig zu
ging. Pitter hatte sie einmal scherzhaft gefragt,
wie lange sie es so weitertreiben wolle, und
da hatte sie ihm ohne Zögern geantwortet: ,,Ei
ewig!"
An das Lumpengret dachte der Pitter, als er,
dem unglücklichen Ausgang seines Experimen
tes mit Max nachgrübelnd, erwog, wem er
Gutes erweisen könne. Sie hatte in ihrem lan
gen Leben nicht viel Gutes gehabt und sie ver
diente es, dass sich der Herrgott um sie küm
merte. Er beauftragte daher den Erzengel Ga
briel, sich zum Lumpengret zu begeben und
bei ihr auf den Busch zu klopfen. Habe sie
noch immer den ernstlichen Wunsch, ewig zu
leben, so solle er ihr die Erfüllung dieses Wun
sches Zusagen.
Gabriel machte sich sofort auf den Weg. Er
hatte die Gestalt eines jungen Mannes ange
nommen und hatte seine Flügel, um sich nicht
zu verraten, unter einem Umhang verborgen.
Als er bei dem Hof ankam, wo das Lumpengret
lebte, war diese mit ihrem Enkelkind damit
beschäftigt, einen Stapel dicker Knüppel zu
Brennholz zu zersägen. „Guten Tag, Mütter
chen!", grüßte Gabriel freundlich. „Schmeckt
denn die schwere Arbeit noch in eurem Alter?"
Lumpengret lachte ihr stilles, gutes, mütter
liches Lachen. „Man ist nie zu alt zum Arbei
ten, solange man es noch kann, lieber junger
Herr, und muß unserm Herrgott dankbar da
für sein, daß er uns die Kraft dazu gibt", ant
wortete sie, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
„O, so arbeitsnärrisch wie Ihr braucht man nun
doch nicht zu sein. Laßt die Jungen auch ihren
Teil arbeiten. Ihr dürft nicht befürchten, daß
es mit der Arbeit einmal aufhört, es wird auch
noch gearbeitet werden wenn Ihr nicht mehr
lebt. Oder wollt Ihr ewig leben?" „Ewig leben!
Wenn ich das könnte, wie gern wollte ich das",
antwortete Lumpengret mit einer Bestimmt
heit, die keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit
ihres Willens aufkommen ließ. Da legte Ga
briel den Umhang ab, unter dem er seine Flü
gel verborgen hielt. „Ich bin Gabriel, der Erz
engel, der bei Gott ist. Ich sage dir in seinem
Auftrag, daß dein Wunsch erfüllt ist und du
ewig leben wirst."
Das Lumpengret war sehr erfreut darüber,
daß der Herrgott sie ewig auf dieser Erde las
sen wollte, die ihr so schön dünkte und an der
sie mit der ganzen Kraft ihrer starken Natur hing.
Aber als sie älter und älter wurde, ihre Rüstig
keit und ihre Schaffenskraft abnahmen und
sie als zahnlose, steinalte Greisin nur mehr
hinter dem Ofen sitzen konnte, sich selber und
den andern zur Last, da dämmerte ihr die Er
kenntnis, daß man sich nicht nur ewiges Leben,
sondern auch ewige Jugend, frei von Krank
heiten und Beschwerden, wünschen müsse, um
jenes aushalten zu können. Und wenn man es
genau überlege, dann sei es auch mit der ewi
gen Jugend ohne Krankheiten und ohne Be
schwerden nicht getan, weil sich ja doch alles
im Leben wiederhole und notwendigerweise
einmal der Zeitpunkt kommen müsse, da man
der ständigen Wiederholung überdrüssig werde
und man den Frieden ersehne, der in diesem
Leben nicht zu finden sei. Es sei daher nicht
richtig von ihr gewesen zu wünschen, daß sie
ewig leben könne, und der Herrgott habe
auch nicht gut daran getan, ihr diesen unver
nünftigen Wunsch zu erfüllen. Er möge ihr
diese sündhaften Gedanken, mit denen sie sich
gegen seinen Willen empöre, vergeben, aber
er möge die Last des ewigen Lebens von ihr
nehmen und ihr den Frieden eines seligen
Todes schenken.
Pitter hörte die demütig vorgebrachte Bitte
der Greisin und erfüllte sie ohne Zögern. Sein
zweites Experiment war damit ebenfalls miß
glückt, trotz der besten Absicht, die er damit
verbunden hatte. Aber er wollte die Flinte
nicht ins Korn werfen. Es blieb ihm ja noch
eine dritte Möglichkeit.
Er hatte sich als Bauer stets daran gestoßen,
daß der Erfolg bäuerlichen Schaffens anders
als beim Industriearbeiter nicht nur von Fleiß
und Sachkenntnis, sondern ausschlaggebend von
der Witterung abhängig ist. Der Bauer müßte
das Wetter, das er braucht, selber machen kön
nen, hatte er sich immer gewünscht, wenn
Regen, Sonnenschein und Wind zur Unzeit
kamen oder ausblieben. Er beschloß daher,
seine göttliche Allmacht dazu zu benutzen,
die Probe aufs Exempel zu machen.
Die Bauern von Peinaggel sollten sich ihr
Wetter nach eigenem Gutdünken machen kön
nen. Das ließ er ihnen durch den Erzengel
Gabriel ausrichten. Pitter war sicher, daß er
diesmal ins Schwarze getroffen hatte. Im An
fang ging auch alles gut. Die Bauern machten
Sonnenschein, Wind und Regen, je nachdem sie
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