Full text: 1949 (0077)

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Die Herrgottsapotheke 
Plauderei über heimische Frühjahrsheilkräuter 
von Claus SCHMA UCH • Saarbrücken 
W er die heimischen Wochenmärkte besucht, 
sieht hier und da ein Kräuterweiblein, das 
allerlei Teesorten anbietet, alterprobte 
Hausmittel für Gesunde und Kranke, zu nehmen 
vor oder nach dem Essen, schluckweise oder 
gleich eine Tasse voll, rein oder mit anderen 
Heilkräutern gemischt, je nachdem, \yie es die 
Art der Krankheit oder die Kur verlangt und 
erfordert. 
Wenn man sich mit der einen oder anderen 
Kräuterfrau in ein Gespräch einlässt, staunt man 
nicht selten über ihr medizinisches Wissen und 
erfährt meist, dass sie ihre Kräuterkunde schon 
von der Mutter und Ahne bezog. « Die wussten 
noch viel besser Bescheid als unsereiner, und 
mancher, den die Aerzte schon aufgegeben hat 
ten, läuft heute wieder herum und ist wieder 
frisch und gesund. » 
Mag diese Versicherung auch zum Geschäft 
gehören und nicht wenig übertrieben sein, so 
fühlt man doch, dass diese «weisen» Frauen 
uns gewöhnlichen Sterblichen etwas voraus ha 
ben, nämlich ein volkstümliches Wissen um die 
. Heilkräfte der Natur, das uns so fremd geworden 
ist, dass wir fast ehrfürchtig die Teearten 
mustern, die uns von diesem oder jenem Gebre 
chen befreien sollen. 
Wollen wir nicht ein wenig zu dem Kräuter 
weiblein in die Lehre gehen? Die Aerzte greifen 
immer mehr auf die in vielen Jahrhunderten 
erprobte Heilkunst unserer Altvordern zurück. 
Und ihnen folgten unsere Schulen, die im Krieg 
tausend und abertausend Zentner heilkräftige 
Pflanzen gesammelt haben, eine Massnahme, die 
unsere Kinder wieder inniger mit der Natur 
verband. 
« Zur Kräuterfrau in die Lehre gehen? » Muss 
man dazu nicht im Dorf leben, dort wo der 
Mensch noch mit der Natur auf Du und Du 
steht und Acker und Wiese, Waldsaum und 
Wegrain, Driesch und Heideland noch unmittel 
bar den Menschen ansprechen und ihm sozusa 
gen ihren Kräutersegen täglich unter die Nase 
reiben? Diese Meinung ist falsch, wie so man 
ches Vorurteil, das der Städter der Natur entge 
genbringt, die gar nicht daran denkt, ihn als 
Stiefkind zu behandeln. Sie streut ihre Gaben 
überall aus, wo man ihr ein Stückchen Erde 
übrig lässt und ist dabei so verschwenderisch, 
dass wir nur das Weichbild der Stadt zu durch 
streifen brauchen, um all die Tee- und Heilkräu 
terarten zu entdecken, die uns die Kräuterfrau 
anpreist. 
Beginnen wir einmal mit dem Scharbockskraut, 
Die Bauern nennen es, weil es hauptsächlich 
zwischen dem Unterholz des Laubwaldes wächst, 
auch «Kättchen hinter der Heck !» und die 
Kräuterfrau wird es gar als ein Kräutlein emp 
fehlen, dessen zerriebene Blätter und Wurzeln 
die hässlichen Warzen vertreiben. Aber schon in 
einem der ältesten Heilbüchlein steht geschrie 
ben : «Die Blätter dieses Krautes, als Salat 
gegessen, sind gut wider den Scharbock,» wo 
mit der niederdeutsche Schorbuk oder der Skor 
but gemeint ist. In manchen Gegenden heisst das 
bescheidene Kräutchen auch Stemblümchen, und 
seine gelben Blütensterne sind sein augenfällig 
stes Kennzeichen. Es lebt in inniger Gemein 
schaft mit dem Buschwindröschen und überzieht 
so zahlreich den Boden unserer Wälder, dass 
man es nicht übersehen kann. In der gemüse- 
armen Zeit des April und Mai schenken uns seine 
zarten, nierenförmigen Blättlein einen vorzügli 
chen Salat, der dem hochgeschätzten, harntrei 
benden Löwenzahnsalat nicht nachsteht, leicht 
zu suchen ist, nichts kostet und unserem Körper 
die mangelnden Vitamine schenkt. 
In allen Waldwinkeln blüht zur gleichen Zeit 
das liebliche Blauveilchen, das schon als götter 
gesegnetes Blümlein bei den alten Griechen in 
hohen Ehren stand und bei keinem Frühlingsfest 
fehlen durfte. Veilchenblütentee wirkt schweiss- 
treibend und ist ein erfolgreiches Mittel bei star 
kem Husten, vor allem beim Keuchhusten der 
kleinen Kinder, wobei der Tee mit Bienenhonig 
vermischt getrunken wird. Er leistet auch gute 
Dienste bei Bronchialkatarrh und Halsverschlei- 
Die Herrgottsapotheke
	        
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