Full text: 1949 (0077)

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kammertüre. Oder sie lösten den Knebel, so 
dass die Kuh loskam und in der Scheune ihr 
Unwesen anstellte. 
Traud drückte es fast das Herz ab. 
Einmal kletterte sie auf den Heu stock, wie 
alle Abend, um Heu fürs Vieh zu rupfen. 
Während sie mit dem Haken ins Heu stocherte, 
fiel ihr plötzlich ein, dass dies immer Babs 
Arbeit gewesen, Babs, der jetzt unter der 
kalten Erde lag. 
« O, du mein lieber Bab ! » kam es ihr unwill 
kürlich über die zitternden Lippen. Sie lehnte 
ihr Gesicht an den Balken. « O, Bab, wie bin 
ich so verlassen, was bin ich für ein armes 
Mensch ! » Sie umarmte den Balken, das tote, 
kalte Holz, als umarme sie Bab, und sie sagte 
sich — weiss Gott, zum wievielten Male schon — 
wie gut ihr Bab gewesen sei und wie sehr sie 
nach ihm verlange. Danach trocknete sie mit 
dem Rockzipfel die Tränen aus den Augen und 
wollte wieder mit Rupfen fortfahren... da 
hörte sie plötzlich ein Knistern, irgendwo auf 
dem Heustock, ganz nahe. Sie erschrak. Sie 
stand unbeweglich, horchte. Mit einmal sah sie 
oben einen Kopf hervorschauen, der blickte 
schnurstracks auf Traud. Da stiess sie einen 
hellen Schrei aus. Sie liess den Heuhaken 
fallen, wollte die Leiter hinab. Doch in der 
Erregung brachte sie nichts zuwege. Sie stand 
da, wie ein Stück Holz, hielt dem Manne 
beide Arme abwehrend entgegen. 
« Hilfe ! », wollte sie rufen, aber es blieb ihr 
in der Kehle hängen. 
« Keine 1 Angst ! » hörte sie eine Mannsstimme, 
sagen. « Ich tu Euch nichts ! » Er lachte be 
treten, und dann kam er von oben herunter 
gerutscht, ein grosser, schwerer Mann. Das Heu 
hing ihm am Schnurrbart. Er pflückte es fort. 
« Ihr braucht wirklich keine Angst vor mir zu 
haben, jetzt nicht mehr », tröstete er sie. « Ich 
habe Euch erschreckt? Ich habe aber nur so 
ein bisächen in Eurem Heu geschlafen. » 
Damit ging er an ihr vorüber, Traud sah, 
wie er das Bein auf die oberste Leitersprosse 
schwang und hinunterstieg. Jetzt begannen ihr 
die Knie zu zittern. Der Mann ging durch die 
Scheune, zum Scheunenpörtchen. Da blieb er 
stehen. L T nd jetzt kletterte auch Traud herab. 
Sie öffnete die Futtertüren. Der Mann hatte 
schon die Gabel gefasst. « Ich darf Euch doch 
ein bisschen helfen? », murmelte er, und Traud 
sagte nicht ja noch nein. Sie sah, dass er nicht 
ungeschickt war in der Arbeit. Von der Seite 
glich er ein wenig Bab. Auch sonst war etwas 
an ihm, was ihr gefiel, und sie fasste Ver 
trauen. Er hatte noch seinen Rucksack auf der 
Schulter. Den nahm er jetzt herunter, und er 
fuhr fort, den Kühen Heu vorzugabeln. In 
dessen ging Traud in die Küche, nahm den 
Melkeimer, ging in den Stall, setzte sich mit 
ihrem Streichstuhl unter die Fahl und melkte. 
Der Mann kam nach einer Weile in die Stall 
türe und sah ihr zu. 
« Ihr mistet morgens aus? », fragte er. 
«Ja », sagte sie nur. 
Später fing der Mann an, von seinen Ver 
hältnissen zu erzählen. Er sei Maurer und auf 
der Wanderschaft. Im Winter gäbe es nichts 
auf seinem Handwerk, wie sie wisse, zu tun. 
Dann mache er sich sonstwo ■ nützlich. Als 
Ferkelstecher, beim Schlachten, überhaupt in 
allem. Er verstehe sich auf allerlei Arbeiten. 
Seine Mutter lebe noch. Zu elft hätten sie am 
Tisch gesessen, aber alle rechtschaffene und 
fleissige Leute, bis auf einen. 
«Na », meinte er, «es kann jeder mal da 
neben treten und auf die schiefe Bahn kommen. 
Wenn man sich nur wieder hochschafft! » 
So sagte er. 
Und Traud hörte ihm andächtig zu. Eine 
Mannsstimme... so ein Mannsgespräch, eigent 
lich war sie das garnicht mehr so recht gewöhnt. 
Einmal begegneten sich ihre Blicke. Es gehe
	        
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