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Traud atmete auf. Wie gut, dass Bab den
Notar noch hatte kommen lassen. O ja, Bab !
Er hatte die Gesetze gekannt, aber auch seine
Geschwister hatte er gekannt. Ja, Bab... so
einen guten und gerecht denkenden Mann gab
es nicht mehr.
Ein paar Tage darauf kamen die Geschwister
abermals zu Traud.
«Du musst aus dem Haus ! », sagten sie.
« Bab hat kein Testament gemacht, das hast du
selbst gesagt, und wir haben uns beim Notar
erkundigt. Wir sind seine
Erben. So ist es gesetz
lich. Du musst aus un-
serm Haus ! »
Traud würde blass.
« Aber », wandte sie ein,
«Bab hat doch nur die
drei Stücker Land und die
Pfarrwies mitgebracht,
das andere habe ich mit
gebracht, von daheim.
Und das Geld, das haben
wir doch zusammen ge
spart. Bab und ich. Aber
ihr , könnt. .. ich will
nicht mit euch streiten,
das kann ich nicht...
ich gebe euch die drei
Stücker Land und die
Wiese wieder, »
Aufs längste Leben. Vor Gericht könnt ihrs
bald noch einmal hören. »
Sie ging zur Türe, zog sie auf und hob den
Arm :
«Und jetzt macht euch aus dem Haus,
sonst hole ich den Gendarm ! »
Da lachten sie.
Sie gingen in den Stuben und Kammern,
gingen im ganzen Haus umher, als wären sie
hier die Herren. Sie schlichen und krochen und
suchten umher wie Kater, wenn sie nach
Mäusen jagen. Traud sah ihnen ängstlich zu,
blass, den dünnen Mund verkniffen. Mit einmal
fasste sie sich ein Herz. Sie sprang zur Wasch
kommode hin, riss eine der Schubladen auf,
•wühlte in den Wäschestücken und zog ein dün
nes Buch heraus, das Sparbuch Babs aus seiner
ledigen Zeit.
« Da ! », rief sie aufweinend, « da, ihr Gier-
pänze ! Das ist alles, was Bab hinter lassen hat.
Da seht selber ! Ganze vierzehn Mark. Fresst Sie
auf, ihr Fresshälse ! » Und sie schleuderte ihnen
das blaue Büchlein vor die Füsse. Einer der
Schwäger schnappte es vom Boden auf, dabei
flatterte ein zusammengefalteter Schein heraus.
Er ging ans Fenster damit, entfaltete ihn, las.
« Aha », sagte er jetzt. « Beim Notar seid ihr
gewesen, Bab und du. Da steht es schwarz auf
•weiss. Bab hat also doch ein Testament ge
macht, weil er wusste, was für eine du bist! »
Traud sagte darauf ruhig : « Wir waren nicht
beim Notar gewesen, aber der Notar war zu
Bab hierher gekommen. Bab hatte ihn rufen
lassen. Was du hast, ist nur ein Schreiben vom
Notar. Das Testament liegt beim Gericht. Bab
kannte euch, Bab hat auch ein Testament ge
macht, er hat mir alles verschrieben, mir!
Sie knurrten. Traud ging auf die Haustüre
und rief, dass man es überall in den Nachbar
häusern hörte :
« Aus meinem Haus, ihr Erpresser, sonst rufe
ich den Gendarm ! »
Da gingen sie. Und Traud schloss die Türe,
schob den Riegel vor, wankte in die Kammer
und warf sich auf Babs Bett.
« O, Bab ! », schluchzte sie. « O, Bab ! »
Von dem Tage an hatte es den Anschein, als
liessen sie ihr Ruhe, und Traud ging ihrer
Arbeit nach, so wie sie es gewohnt war und
musste. Doch nie vergass sie, des Abends, ehe
sie sich oben in die Speicherkammer begab,
die Türen abzuriegeln. Eine Weile ging sie
auch mit dem Gedanken um, sich einen Hund
anzuschaffen, der sie bewachte, und dann
brauchte sie auch so etwas wie ein Lebewesen,-
dem sie gut sein konnte und das ihr anhing.
Die Kater gaben aber ihr Treiben gegen
Traud nicht auf. Das hatte sie auch nicht an
ders erwartet. Sie schlichen sich des Nachts an
ihren Giebel, stiegen die Leiter hinauf aufs
Dach und liessen alte Töpfe, Kannen und dicke
Wacken durch das Kamin herunterfallen, in
Trauds Küche. Sie schlüpften zum Kellerloch
herein, stiegen die Kellertreppe hoch und fingen
an zu miauen und zu schnurren. Sie stiegen in
die Fruchtkammer, rasselten mit Ketten, die
sie mitgebracht hatten, tappten und spekta
kelten herum, bumsten gegen Trauds Schlaf-