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gebirgen herabgetragenen Gesteinen türmten
sich zu Bergen, alles roh, kahl und unbewohn
bar. Es sind in Mitteleuropa vier Haupt
perioden der Vereisung festgestellt worden:
1. die Günz-Eiszeit,
2. die Mindel-Elster-Eiszeit,
3. die Riß-Saale-Eiszeit und
4. die Würm-Weichsel-Eiszeit.
Benannt sind sie nach süd- und norddeutschen
Flüssen, an welchen man ihre Spuren zuerst
gefunden hat. Das waren also vier lang-
dauernde Kältewellen (Glaziale). Zwischen
ihnen liegen die wärmeren Zwischeneiszeiten
oder Interglaziale. Auch diese Zwischeneis
zeiten dauern jedesmal Jahrzehntau^ende.
Sie gehen uns bei der Betrachtung des Lud-
weiler Faustkeils hauptsächlich an, denn der
Mensch bewohnt nur in den klimatisch gün
stigeren Zwischeneiszeiten unsere dem Haupt
eise doch sehr nahe gelegene Landschaft. Mit
dem abschmelzenden Eise weicht während
dieser Interglaziale auch die Tundra zurück.
Tundra ist heute in arktischen Gebieten,
wie Nordnorwegen und Nordsibirien zu fin
den. Der Boden ist während eines großen Tei
les des Jahreslaufs gefroren. Bäume gibt es
in der Tundra nicht. Nur dürftiger Pflanzen
wuchs bedeckt sehr dünn das unwirtliche
Land. Die Rentierflechte (Cladonia rangiferina),
Silberwurz (Dryas octopetala), die Alpenbären
traube (Arctostaphylos alpina), die Rausch
beere (Empetrum nigrum), verschiedene Moose
(Sphagnum, Polytricbum) und die Zwergbirke
(Betula nana) sind Tundrenpflanzen, die irn
Sommer die Steinhalden begrünen und der
Tierwelt Futter bieten, die aber auch noch im
Winter vom hungernden Ren wild unter dem
Schnee hervorgescharrt werden. An Tieren
lebten in der eiszeitlichen Tundra und der an
sie anschließenden Steppe das Mammut (Abb.
14), das sibirische Nashorn (Abb. 15), der Bi
son, das Urrind, das Ren, die Saigaantilope,
der Eisfuchs, verschiedene Lemmingarten und
$las Ziesel. So wie die Tundra in den Zwischen
eiszeiten zurückwich, drang die Grassteppe
vor und in weiter südlich gelegenen Land
strichen verbreitete sich dann auch der Ur
wald.
Die Periode des Acheuleen, der unser Faust
keil angehört, liegt in dem Interglazial zwi
schen der Riß- und Würmeeiszeit. Das Klima
war gemäßigt kühl. Der Urmensch durch
streifte die Hügel und Täler unserer Saar
landschaft in kleineren Trupps sammelnd
und jagend, um die Nahrung für den täglichen
Bedarf, wie auch für den langen Winter zu
beschaffen. Seine Jagdtiere waren vorwiegend
das Mammut (elephas primigenius) und das
sibirische Nashorn (rhinoceros tichorhinus),
beides mächtige, wollhaarige Wildtiere, die
heute ausgestorben sind. Ihre Gebeine wer
den noch in den diluvialen Sanden und Kie
sen der Saar wie an anderen Plätzen gefun
den, so daß wir über ihre Größe und ihr Aus
sehen gut unterrichtet sind. Haben doch rus
sische Forschungsexpeditionen in Nordsibirien
ganz erhaltene Kadaver des Mammuts mit
Abb. 14: Mammutherde
(Photo zur Verfügung gestellt durch Dr. Guthörl)