12 Saarbrücker Bergmannakalender
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bleiwe“ ergriffen die Buben nach der Schul
entlassung fast alle den Bergmannsberuf und
fuhren als Jugendliche an.
.. Wo hätte der Kaiser die Krone wohl
her, wenn tief in der Erde der Bergmann
nicht war...?“ Auch wir sanken am Feier
abend das stolze Knappenlied, und es wird
nicht verstummen, solange das Bergmanns
blut der Väter in den Söhnen kreist.
St. Barbara,
die Kcrgmannslieilige
Von Claus Schmauch, Saarbrücken
V on frühester Jugend an war uns Kindern
St. Barbara vertraut, und noch auf dem
Schoß der Mutter sitzend, falteten wir schon
die Hände und stammelten ein Gebet zu der
Heiligen. Ein Schutzgebetlein für unseren
lieben Bergmannsvater, der täglich hundert
Wiesbäume tief in den Bauch der Erde tauchte
und schwarze Diamanten zu Tage förderte:
Kohlen für die Eisenbahn, die am Dorf vorbei
bimmelte, und für den Windofen, auf dem
die Mutter unser Essen kochte.
Der Vater gewann sie unter steter Lebens
gefahr, und jedesmal, wenn er von der Schicht
heimkehrte, hatte St. Barbara ihre schützende
Hand über ihn gehalten.
Wir suchten das Bild der Heiligen vergeb
lich in Großmutters dickem Legendenbuch
und entdeckten es schließlich in der Dorf
kapelle. Dort stand es hoch auf dem säulen
geschmückten Altar, dicht unter Gott Vater,
dessen schneeweißer, ölgemalter Bart über
dem blauen Sternenmantel leuchtete. St. Bar
bara aber war im Gegensatz zu dem allmäch
tigen Himmelsherrn aus Holz geschnitzt, und
der Heiligenreif über ihrem weizengelbem
Haar funkelte im Kerzenschein wie eine
Königskrone. Die linke Hand auf ein silbernes
Schwert gestützt und in der rechten einen
vergoldeten Kelch, stand sie da im reich
gefalteten Gewand, zu den Füßen ihr Ge
fängnis, ein kleiner Turm.
Und stets brannten Kerzen vor dem Stand
bild der Heiligen, geweihte Lichtlein, von den
Bergmannsfrauen gestiftet, darunter manch
mal auch eins der Mutter.
An den hohen kirchlichen Festtagen aber
hißten die alten Grubenpensionäre seitlich
des Altars die St. Barbarafahne. Auf ihrem
kostbaren Seidentuch beugte sich die Heilige
über einen sterbenden Knappen und spendete
ihm die Wegzehrung für die weite Himmels
reise.
„Drunten im tiefen Schacht hält St. Barbara
treue Wacht!“ Dieser Spruch zierte die dörf
liche Bergmannsbühne auf der die KnapD n
an Weihnachten das „Spiel von der frommen
Genoveva“ aufführten. Senkte sich vor den
Pausen der Vorhang herab, so erblickten wir
gleich drei überlebensgroße, auf graues Linnen
gemalte Barbarabilder, die sich allesamt auf
den Bergmannsstand bezogen.
Am 4. Dezember, dem Namenstag der Hei
ligen und aller Bärbeln, Bäbben und Biwi’s
des Dorfes, war cue Kapelle fast w.e am
Sonntag gefüllt und brannten die Kerzen so
zahlreich, daß sie das dämmerige Gotteshaus
taghell erleuchteten. An diesem Tage senkte
„die Groß“, die selbst Barbara hieß, drei
frisch geschnittene Kirschbaumzweige in
einen geblümten Krug und stellte diesen aufs
„Büffchen“, ein steinernes Sims über dem
Stubenofen.
„Wie sichs Wedder an Bärwelndaach ver
hält, so is es aach an Weihnachde beschdelld“,
behauptete dann der Großvater und schürte
den Windofen mit klobigem Buchenholz,
damit die Barbarazweige nicht erfroren und
am Christmorgen ihre ersten Blüten trugen.
Ihren ehrenvollsten Tag aber erlebte St.
Barbara Mitte Januar an der dörflichen
Kirchweih. Jetzt, da die stille Adventszeit
vorüber war und Pauke, Trompete, Klarinette
und Baßhorn wieder laut ertönen durften,
scharfe sich der Bergmannsverein zum Kirch
gang zusammen und zog unter schmetternder
Musik durchs Dorf. Dabei trug jeder Knappe
seine schmucke Standestracht und folgte dem
en + rollten Banner der St. Barbarabruder
schaft, Während des festlichen Gottesdienstes
aber erhielt die Heilige eine Ehr°nwache. und
die mehrpfündige Bruderschaftskerze über
strahlte a.le anderen mit ihrem hellen Glanz.
An diesem Tage lächelte St. Barbara huld
voll ihren Knappen zu, und wenn einer von
ihnen im Laufe des Jahres starb, neigte sich
ihre Fahne dreimal tief über sein offenes
Grab.
Eindererziehunff
Von Josef Burger, Klarenthal.
Eine Mutter, im Bestreben,
ihrem Kinde brav zu geben
mal Erziehung möglichst früh,
ohne viel Verdruß und Müh’,
bat um Auskunft einen Mann,
wann Erziehung fange an,
ob mit zwei, drei, vier, fünf Jahren.
Ferner wollte sie erfahren,
ob, um Pflichtgefühl zu wecken,
man gebrauchen soll den Stecken.
Jener Mann sprach: „Liebe Frau,
merken Sie sich das genau:
Die Erziehung muß beginnen,
nicht von außen, mehr von innen,
ohne Stock und Ledergurt,
lange schon vor der Geburt.“