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„Wer kä Bersdimann iss, zähld net mell“
Von Claus SCHMAUCH, Saarbrücken.
Ich stamme aus einem der zahlreichen
Bergmannsdörfer, die im weiten Umkreis der
Saargruben aufblühten, und soweit ich mich
zurückerinnern kann, gaben die Bergleute
unserem Ort das Gepräge. Das Wochenende
stand ganz unter ihrem Zeichen. Schon am
frühen Samstagnachmittag putzte sich das
Dorf heraus, und es fuhr kaum noch ein Ge
spann aufs Feld. „Wenn die Bergleute kom
men, müssen wir fertig sein“, hieß es in jedem
Haus, und dann ward gefegt und gerieben,
gescheuert und geputzt, bis das Dorf blitz
blank dalag, fast so, als sei schon der Sonn
tag eingezogen und brächte die Bahn viele
liebe Gäste zu uns.
Und es war wirklich eine stattliche Anzahl
Männer, die um die Vesperstunde den Bahn
hofsweg heraufkamen. An der Spitze die
Bergmannsväter, umringt von den jubelnden
Kindern, und hinterher die Burschen, die
beim Bahnhofswirt noch rasch einen Steh-
•choppen genommen hatten.
Wie hell und leicht beschwingt tickten die
Grubenstecken über das saubere Straßen
pflaster, und wie flink streiften die Frauen
und Mädchen ihre Schaffkleider ab, um den
heimkehrenden Gatten oder „Schatz“ im hal
ben Sonntagsstaat zu empfangen! Zu Hause
aber öffneten die Bergmänner den Gruben
ranzen und beschenkten ihre Angehörigen
mit ein paar Kleinigkeiten. Die Kinder er
hielten meistens eine Handvoll „Gutzje“ und
die Weibsleut eine Tafel Schokolade. Dieser
«chöne Brauch erlosch erst, als die Knappen
das Schlafhausleben aufgaben und täglich
heimkehrten.
Am Samstagabend schritt keiner der Bur-
ichen ohne Bergmannsmütze durchs Dorf. Die
kleidsame Kopfbedeckung mit dem, schwarzen
Samtband und den gekreuzten Hämmern trug
jeder mit sichtlichem Stolz, und kaum war
einer als Jungknappe angefahren und hatte
den ersten Zahltag in der Tasche, dann ver
riet die „nei Berschmannskapp“, daß er zu
einem Stande zählte, der sich seines Ansehens
und Wertes bewußt war,
„... Wo hätte der Kaiser die Krone wohl her,
wenn tief in der Erde der Bergmann nicht
wär...?“ Das Lied drang während der Abend
dämmerung von der Dorfbrücke, und bald
mischten sich die hellen Stimmen der Mäd
chen unter die der Burschen. Dann folgte,
von der Maulgeige oder der Ziehharmonika
begleitet, Bergmannslied auf Bergmannslied,
bis die Mitternacht das junge Volk in die
Federn trieb. Diese Sitte ist noch heute in
manchem Bergmannsdörf lebendig, und nicht
selten waren jene Singgemeinschaften die
Bahnbrecher späterer Gesangvereine.
Am Sonntag dagegen trumpfte der Hirnsepp
mit seiner Blechkapelle auf, und die munteren
Weisen der Schnurranten, die alle dem Berg
mannsstand angehörten, drangen bis ins ent
legenste Haus. An der Kirmes jedoch erschien
die Kapelle „in vollem Wichs“ und stellte sich
an die Spitze des Bergmannsvereins, der vor
der Dorfschenke zum Kirchgang angetreter»
war.
„Knappen — marsch!“ Wie schmetterten ds
die Hörner, wie brummten die Bässe, wie
dröhnte die dicke Trommel und wie bauschte
sich die Bruderschaftsfahne über den wehen
den Federbüschen und tiefschwarzen Besg-
mannsmützen! Und neben dem Zug schritt
der Büchsenälteste, in der Rechten den eben-
holzfarbenen Bergstock mit dem versilberter;
Hammerknauf, auf dem Kopfe den runde»
Tschako mit besonders prächtigem Feder
schmuck und am Kittel leuchtende Messing
knöpfe.
„Ja, unser Berschleit!“ rühmten dann dit
Dorfeingesessenen, und die zahlreichen Kir
mesgäste sperrten „Mapl und Ohren“ auf, urc
nur ja nichts bei dem feierlichen Aufmarsch
zu übersehen. Die Mädchen aber deutete»
voll Stolz auf den Freiersmann in der
schmucken Knappentracht und brüsteten sich
vor dem Kirmesbesuch, daß auch ihr Zukünf
tiger den Bergmannskittel trage.
Neben dem Gesang und der Musik war
auch das „Theaterspielen“ ein Privileg der
Bergleute, und die einzige Bühne des Dorfe*
gehörte dem Knappenverein.
Am augenfälligsten aber stand das Dorf irr
Zeichen des Bergmanns, wenn auf der großeE
Wiese am Mühlenberg ein Bergmannsfesi
stattfand, und die Kn-appenvereine der gan
zen Umgegend mit ihren Fahnen und Musik
kapellen aufmarschierten. An diesen Tager
stand an jeder Straßenkehre eine blumen
geschmückte Ehrenpforte, hing unter jeden
Hausfenster ein aus Tannengrün gewundene?
Kranz, krachten die Böller aus allen Himmeln
richtungen und wehten die Fahnen aus aller
Dachluken.
Im großen Postzelt aber musizierten 4i*
zahlreichen Kapellen und auf der mit Maie®
umzäunten Holzbühne schwangen die Knap
pen ihre Mädchen im Tanz. Derweil drang
von den im Freien aufgeschlagenen Bänke»
und Tischen das Hallo der sich treffende®
Kameraden und scharten sich die „Pärchen*
um ihre Ältesten, und obwohl auf dem Fest
platz für des Leibes Notdurft überreichlich
gesorgt war, versäumte kein eingesessenes
Bergmann, den auswärtigen Kameraden tkxc,
Essen einzuladen. Dabei ward das Beste auf
getischt, was Küche und Keller bot, und
kehrte der Gast am späten Abend heim, dann
fehlte selten das Kudhenbündel für „die
daheim“.
Kein anderer Stand pflegte die Kamerad
schaft mehr als der Bergmannsstand. Hatte
der Schlepper die Hauerprüfung bestanden, so
lud er die Kameraden „seiner Pardie“ mt
einem Umtrunk ein; zog er zum Militär, dann
galt es, den Abschied zu feiern, und kam ein
Bergmann zu einer andern ,pardie“, dann