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drei saarländische JSergmannserzählangen
Von Hans B r e i n i g , Püttlingen.
Ber g vn a n i) *b I u t
chon meine Ur
großväter, welche
vor über 100 Jah
ren im alten Bau
ernwaldstollen im
Frommersbachtale
Kohlen gruben,
hatten Bergmanns
blut in den Adern.
Woher kam dies
nur, wo doch die
Väter keine Berg-
mfinner, sondern Bauern waren? Ich glaube
so: Es pflanzte sich allmählich in sie hinein
und zwar unbewußt, wie der Bergbau unserer
Heimat von Anfang an mit ihnen wuchs. Miß
ernten, Not, Teuerung und Kriegszeit zwangen
die Vorfahren, sich heimlich in den einsamen
Wäldern auf primitivste Art ihre Hausbrand
kohlen in den hier an die Tagesoberfläche
tretenden Flözen zu schürfen. Kleine Stollen
wuchsen überall planlos in die Hänge des
Tales. Senkrechte Grablöcher gähnten ver
borgen im Gestrüpp. Von Altenkessel stand
noch nichts. Nur einsam rauschende, viel
hundertjährige Eichen und Buchen bestanden
die Hänge. Die rechtmäßigen Inhaber dieser
Kohlengerechtsame waren die Nassau-Saar
brücker. Nur selten verirrte sich einmal einer
ihrer Jagd- oder Waldhüter hierher. Da wuß
ten sich unsere Ahnen gut zu verbergen. Es
ist nicht bekannt, daß die Nassau-Saarbrücker
jemals ernsthafte Repressalien gegen die
„Bauernbergleute“ unternommen hätten. Die
Fürsten ließen sich im Gegenteil jedoch bald
selber von den Püttlinger Bauern Kohlen
graben Da arbeiteten meine Ahnen gegen ge
ringen Lorm und bebauten ihre Felder daheim
noch nach uie vor mit So entstand die alte
Grube Bauernwald bei Altenkessel, benannt
nach denen, die schon jahrzehntelang vorher
ihre Kohlen gruben, die Püttlinger Bauern.
Noch heute steht der alte Bauernwaldstollen
stumm und ein.' m im Walde, mittelbar an
der Straße Luisenthal-Altenkessel-Püttlingen,
die durchs l al des Frommersbaches führt. Er
ist ein ernster Zeuge jener ersten bergmän
nischen Tätigkeil in unserer Heimat. Unbe
deutendere namenlos gewordene Brüder von
Ihm stehen verschüttet oder mit zugemauer
tem Mundloch in nächster Nähe. — In all
diesen Stollen des Bauernwaldes haben meine
Väter gewerkt und gehämmert, geschaufelt
und gepickelt, gezimmert und genagelt, lange
ehe ich war ... Voll Ehrfurcht gehe ich immer
an ihm vorbei im Gedenken an sie, die mir
ihr Bergmanns- und Bauemblut vererbten
Schicksalhaft und schwer, verpflichtend una
befehlend kreist solch Blut in des Nachfahren
Adern. Viel hat der Stollen schon von den
Vorfahren an Opfern gefordert und auch er
halten. Ich weiß nur zu gut, daß der Urgroß
vater von der Mutter als zwanzigjähriger
Bauernsohn dem Vater vom Pfluge fortlief in
den Berg. Tagtäglich ging er hinein, nicht
wie seine Väter nur ab und zu einmal, son
dern regelmäßig lebenslang. Zwölf Stunden
alle Tage, und schleppen mußte er die schwar
zen Diamanten in Tragkörben oder Kästen
hinaus ans Tageslicht bei heute gar nicht
mehr zu vergleichendem Lohn. Schweiß
dampfend und verrußt mit blutigen Händen
und bläulich zerschundenem Rücken, so tat er
seine harte, selber gewollte Pflicht. Er, der
doch hätte daheim bei seinem noch mit reich
lich Land versehenem Vater bleiben können.
Ein unbekanntes aber weit in die Zukunft
leuchtendes Etwas zog auch ihn in die Grube.
Nicht nur das Geld oder scheinbare Not
trieben ihn in den Berg, sondern das nun
schon fordernde Bergmannsblut. Später trug
man ihn dann schwer verbrannt heraus.
Schlagende Wetter hatten ihn übel zugerich
tet. Und auch danach ging er noch 20 Jahre
in die Grube. Erst in seinen alten Tagen
widmete er sich wieder voll der Ackererde.
So tat auch sein Sohn, der Vater meiner
Mutter. Und als dieser aus dem Kriege 1870
gesund wiederkehrte, entließ ihn der alte
Stollen auf die neuangelegten modernen Vik
toriaschächte.
Auch der Urgroßvater väterlicherseits war
wohlhabender Bauern Sohn. Trotz des Vaters
Schelten lief er in den Bauernwaldstollen. So
viele Bauernsöhne taten es ja auch Und zu
oft hatte der Alte einst den kleinen Peter
mitgenommen dorthin zum verbotenen Kohlen
schürfen. Seither hatte der Berg den Buben