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die revolutionäre Bewegung, verherrlichte in
seinen Schöpfungen die Tugenden des Alter
tums und wurde in etwa der offiziell aner
kannte Maler der Revolution. Später ernannte
ihn Napoleon zum ersten Maler des Kaisers.
Von den Bourbonen im Jahre 1815 ver
bannt, da er einer von den Deputierten ge
wesen war, die im National-Konvent für den
Tod des Königs Ludwigs XVI. gestimmt hat
ten, verbrachte er die letzten Jahre seines
Lebens in Brüssel trotz der Bemühungen des
Preußenkönigs, der ihn gerne an seinen Hof
gezogen hätte. In Frankreich gewann David
einen tyrannischen Einfluß, und die Ge
schichte der französischen Malerei während
der beiden ersten Jahrzehnte dieses Jahr
hunderts ist fast ausschließlich die seiner
Schule. Das Dogma der Antike war von alven
übernommen worden: Gerard, Guerin, Giro-
det, Prud’hon.
Eine einzige Ausnahme bildete GROS,
der durch seine Darstellung napoleonischer
Schlachten berühmt gewordene Maler. Er
führte in seinen Werken die durch die An
hänger Davids verbannte Bewegung und
Farbe wieder ein und wählte im Gegensatz
zu der damals herrschenden Zeitrichtung be
sonders zeitgenössische Stoffe. Maler und
So.dat, brachte Gros in seinen Gemälden
die Schrecken des Krieges und seine Leiden
mit dramatischer, selten erreichter Ein
druckskraft zur Darstellung.
Aber das Ansehen Davids blieb so stark,
selbst nach dessen Verbannung, daß der Ver
such von Gros, die etwas kalt wirkende
Kunst der Anhänger Davids neuzubeleben,
von seinen Zeitgenossen abgelehnt wurde,
und der Künstler in der Erkenntnis, einen
Irrweg eingeschlagen zu haben, Selbstmord
beging.
So sah es damals aus, als die romantischen
Maler auftraten. In der Malerei stellt die
Romantik zunächst eine Reaktion gegen die
Vergötterung der griechisch-römischen Kunst
dar. Die Kriege des Kaiserreiches hatten
zahlreichen französischen Malern die Mei
sterwerke Flanderns und Hollands geoffen-
bart; Rubens und Rembrandt mit ihrer Farbe,
ihrem Licht und ihrem Leben hatten sie
von der klassischen Kunst abgelenkt. So
entstand eine neue Kunst, die während des
Jahrzehnts von 1820 bis 1830 führend wurde.
Der der Revolution von 1830 folgende Wech
sel des Regimes befestigte ihren Sieg. König
Ludwig-Philipp und seine Minister, vor allem
Thiers, gewährten der romantischen Malerei
ihren Schutz. Die hervorragendsten unter
allen Vertretern dieser Richtung sind GE-
R I C A U L T und DELACROIX. Alle
beide sind sehr bedeutende Künstler, und
ihre Begabung ist so verschiedenartig, daß
man sie nicht ohne Vorbehalt im eigent
lichen Sinne der romantischen Schule zu
rechnen kann. Sie ragen weit über deren
Rahmen hinaus, und lediglich das Bedürfnis
nach einer Einreihung läßt eine Zuordnung
dieser beiden unabhängigen Meister zu den
Romantikern zu. Wenn man unter Romantik
die vorzugsweise Darstellung von Stoffen
aus dem Mittelalter und der Renaissance
versteht, dann waren sie Romantiker. Aber
ihre ausgeprägte Persönlichkeit verwehrte es
diesen Meistern, sich den strengen Vorschrif
ten einer Schule zu beugen.
Gericault starb sehr jung im Jahre 1824
in voller Schaffenskraft infolge eines Sturzes
vom Pferde. Aber er hinterließ trotzdem
einige Meisterwerke der französischen Malerei.
Was ihn kennzeichnet, ist die Liebe zum
Leben verbunden mit der zur Ordnung. Er
verherrlichte die Kraft: Frauen hat er nicht
gemalt, nur junge, auf ihre Muskeln stolze
Männer. Aber diese Lebensfreude wurde
durch tiefgründige Studien in geordneten
Bahnen gehalten. So hat Gericault in dem
berühmten Bilde: „Das Floß der Medusa“
(Bild 3), zu welchem er durch ein zeit
genössisches Ereignis angeregt wurde, näm
lich die Rettung von Passagieren einer an
der afrikanischen Küste schiffbrüchigen Fre
gatte nach langen leidensvollen Tagen, von
den Vorgängen dieses zu malenden Dramas
denjenigen festgehalten, welcher mit mensch
lichen Empfindungen am gesättigtsten ist; es
ist jener Augenblick, in dem das rettende
Schiff den Schiffbrüchigen sichtbar wird.
Bevor er sein Gemälde begann, sammelte
Gericault Unterlagen, ließ ein Floß nach
den Angaben eines der Überlebenden bauen,
reiste an die Küsten des Atlantik, um das
Meer zu betrachten, und besuchte Kranken
häuser, um Kranke und Tote zu beobachten.
Nach Sammlung dieser Unterlagen schuf er
ein Gemälde, in dem er seine Gestalten in
zwei Gruppen aufteilte: unten diejenigen,
die durch Verzweiflung und Krankheit nie
dergeworfen sind, oben diejenigen, denen die
Hoffnung auf Rettung neue Kraft geschenkt
hat. Kennzeichnend jedoch für die Art Ge-
ricaults ist, daß der Realismus der han
delnden Personen des Dramas wie der der
Gestalten Michel-Angelos in geklärter Form
zum Ausdruck kommt.