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im Herzogtum Mailand bereits um 1300 Sta
tionen mit Pferdewechselgelegenheiten an den
Hauptverkehrsstraßen bestanden, die „posta“
hießen, und an denen Pferde zur Benutzung
bis zur nächsten derartigen Station bereit
gehalten wurden, erregte diese Tatsache be
rechtigtes Aufsehen. Indes ließen sich Er
scheinungen des Verkehrs niemals eingebieten,
am wenigsten bei einem so regen Handelsver
kehr, wie er damals zwischen der Lombardei
und den Niederlanden bestanden hat. Es muß
ten sich demnach an die großen Verkehrs
und Handelsstraßen die gleichen Einrichtun
gen umso schneller verpflanzt haben, als sie
für die Reisegemächlichkeit unentbehrlich
waren. Es konnten also keine Errungenschaf
ten im Verkehrsleben lokalisiert oder einmalig
bleiben. Sie mußten sich, selbst wenn sie un
ter Umständen schon einmal weite Regionen
überbrückten und gar den eigenen Ursprung
zu verwischen schienen, an gleicher oder un
mittelbar verbindender Verkehrslinie in über
einstimmenden Formen wiederholen.
Tatsächlich haben in den Rheinlanden, im
Saargebiet, in Süddeutschland und in Frank
reich ebenfalls Mietpferdestellen bestanden.
Sie bedurften gamicht einmal des lombardi
schen Vorbildes, da dieses bereits durch den
römischen cursus publicus, die römische
Staatspost, gegeben war, deren Spuren sich
bis ins Mittelalter erhalten hatten. Wohl führt
die Bezeichnung „Post“ auf die italienische
„posta“ zurück. Als solche wurde noch bis ins
sechzehnte Jahrhundert die Wechselstelle für
das Mietpferd, die Raststätte und die mit die
ser zusammenhängende Stallung genannt.
Andererseits war posta aber auch die Bezeich
nung für das Mietpferd selber sowie für die
von Stall zu Stall — also von Station zu
Station — zurückzulegende Entfernung. Im
Jahre 1550 waren Redewendungen wie „mit
der Post reisen“ oder „sich auf die Post
setzen“ durchaus geläufig. Unter Post war
aber ausschließlich das Mietpferd zu ver
stehen, wie ja auch „reisen“ damals noch
gleichbedeutend war mit „reiten“. Unter
Metzgerposten sind also ausschließlich Beför
derungsanstalten für Reisende (Reitende) und
Kuriere zu verstehen.
Bis zum Jahre 1300 sind in den Rheinlanden
zahlreiche Mietpferdestellen als Reisestatio
nen an großen Verkehrsstraßen nachweisbar.
Sie lagen großenteils in der Hand von Wirten
oder Roßtäuschern. Sie bildeten kein öffent
liches Unternehmen, sondern meist nur ein
Nebengewerbe, eine Mietangelegenheit. Ihre
Entwicklung war durch den Bedarf begrün
det, ihre gegenseitige Ergänzung war private
Geschäftsangelegenheit. Anders die Metzger
posten, die unverkennbar das Zeichen von
Organisation an sich trugen, da sie Ange
legenheit der Zünfte waren. Sie sind anzu
treffen in Gebieten, die als Metzgerpostgebiete
anzusprechen sind, insofern den Metzgern auf
größere Entfernungen hin die Priorität in der
Beförderung von Reisenden zustand.
Das Mittel- und Oberrheingebiet, Württem
berg und Bayern scheinen über größere
Metzgerpostgebiete verfügt zu haben. Die
Saarbrücker Metzger hatten Gelegenheit, auf
der niederländisch-lombardischen Handels
straße sowohl in der Richtung auf Luxemburg
bzw. Trier als auch in der Richtung auf
Straßburg an Metzgerpostorte anzuschließen.
Auch die Saarbrücker Mainzer Straße soll
durch Metzgerpostgebiet geführt haben. Es
spielte dabei keine Rolle, ob die eine oder die
andere Zwischenstation auch anderen Per
sonen angehörte als Metzgern. Wurden der
artige Lehnsrößler doch in Ulm, ohne des
wegen das Metzgerhandwerk erlernt haben zu
müssen, sogar in die Metzgerzunft aufgenom
men. Auf jeden Fall bedeuten die Metzger
posten die ältesten anstaltsmäßigen Einrich
tungen zur Personenbeförderung. Das Mittel-
alter zeigt in ihnen Verkehrsgelegenheiten
auf, die unsere Gegenwart kaum zu vermuten
wagte.
Danach aber ist es erst verständlich, wie
die Landesherrschaften dazu kamen, die
Metzger auch in ihre Reitdienste zu nehmen.
Die Saarbrücker Grafen insonderheit, die die
kostenfreie Reisebeförderung des Schultheißen
bzw. der Gerichtsherren zum Hochgerichte in
St. Nabor verlangten, sowie ähnliche Dienste
im Umkreis von drei Meilen. Die Metzger
posten müssen also bereits bestanden haben,
bevor ihnen die herrschaftlichen Botenritte
auferlegt werden konnten. Und zwar bedeu
teten die Metzgergänge und Rittverpflichtun
gen nichts anderes als Leistungen an Ab
gabenstelle.
Lange bevor es eine öffentliche Post gab
und lange bevor diese öffentliche Post eine Per
sonenbeförderung zu Pferde einführte, gab es
Metzgerposten, die den Reiseverkehrsdienst
ausübten. Und als die Kaiserliche Post vor
Einführung des Reisedienstes ausnahmsweise
hohen Staatswürdenträgern die Gemächlich
keit von Postpferden zur Verfügung stellen
mußte, wurden diesen Reisen die orts
üblichen Taxen für Miet- bzw. Metzgerpferde
zugrunde gelegt. Auch das zum Symbol der
Post gewordene Posthorn führt auf eine Ge
pflogenheit der Metzger zurück, die sich auf
ihren Postritten eines zum Blasen hergerich
teten Ochsenhorns zu bedienen pflegten, um
ihre Anwesenheit kundzugeben. Dies war
namentlich vor Stadttoren, vor Brücken und
Fährschiffen oft genug geboten, um vor Ver
zögerungen und Verspätungen geschützt zu
sein. Im Jahre 1615 wurde das bisher einzig
von den Metzgern gebrauchte Hörnchen bei
der Taxisschen Post eingeführt, den Metzgern
dagegen jeder Gebrauch des ihrem Beruf
entstammenden Hörnchens untersagt. Dem
nach aber erwuchs der Taxisschen Post in
den Metzgerposten eine schwerwiegende Kon
kurrenz. Denn die Metzger beförderten jetzt
ziemlich allenthalben Briefe, bis die gegen
mißbräuchliche Führung des Posthorns und
die verbotene Briefbeförderung ergangenen
Straferlasse so fühlbar wurden, daß die Metz
ger vor der Monopolstellung des Hauses Thum
und Taxis kapitulierten.
In Saarbrücken scheint das Metzgerpost
wesen schon lange vor dem Dreißigjährigen