Full text: 1947 (0075)

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Saarbrückens 
WIEDERAUFERSTEHUNG 
Wenn irgend jemand, so kann der Bergmann 
an der Saar mit vollem Recht einen Ehrenplatz 
lm Riesenwerk des Wiederaufbaues beanspruchen, 
denn auf seiner Arbeit beruht die Wiederankur 
belung des Wirtschaftslebens. Die Energie-Erzeu 
gung, wie Eisen- und Metallwirtschaft, die 
Erzeugung des verschiedensten Rohmaterials, die 
weiterverarbeitende Industrie sowohl der Maschi 
nen- wie auch der Werkzeugfabrikation, das 
ganze Transportwesen endlich, sie alle hängen 
von der Kohlenproduktion ab. Es ist also die 
Grube, von der alle Möglichkeiten, die man ver 
wirklichen möchte, bedingt sind. Deshalb kann 
der Bergmann mit Fug und Recht beanspruchen, 
genau unterrichtet zu werden über die Grund 
sätze der Leute, die berufen wurden, die Städte 
des Saargebiets und damit sein Heim wiederauf 
zubauen. Ja, man kann wohl sagen, daß er sogar 
die Pflicht hat, sich über das Werk zu vergewis 
sern, das unter Ausnutzung der durch den Krieg 
verursachten Katastrophe ohnegleichen erstehen 
soll, um für uns bessere und menschlichere 
Lebensbedingungen zu schaffen. War doch diese 
Katastrophe das blutige, furchtbare Wahrzeichen 
dafür, daß die Vergangenheit nunmehr abgetan 
Ist und daß unsere Welt heute an der Wende 
einer neuen Zeit steht. 
So sind also unser bisheriges Brauchtum, 
unsere früheren Einrichtungen, ja sogar das Maß 
unserer bisherigen Bedürfnisse überholt. Wir 
müssen all dem entschlossen den Rücken kehren 
und an eine neue Welt denken, kurzum, un 
seren Blick einer fortschrittlichen Zukunft zu 
wenden. 
Gewiß werden viele dagegen einwenden, daß 
unter den heutigen Umständen jemand, der 
sicher gehen will, die Tradition nicht vernach 
lässigen darf. Angesichts einer ungewissen Zu 
kunft erscheinen in der Tat die Regeln, die bisher 
das Schaffen der Werktätigen bestimmt haben, 
wie eine Versicherung gegen das große Unbe 
kannte. Wir müssen an der Tradition festhalten, 
aber dies in einem tieferen Sinne: daß wir näm 
lich das Werk unserer Zeit kühn mit den uns 
heute zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln, 
Materialien und Methoden anpacken müssen 
und nicht bloß in jenem oberflächlichen Sinne, 
der sich fälschlich Tradition nennt und nichts 
anderes ist, als das Festhalten an der Form um 
ihrer selbst willen. Es war keineswegs alles voll 
kommen in jener „guten alten Zeit“, die heute, 
ach, schon so ferne liegt! Unsere Städte, unsere 
Wohnungen, unsere Fabriken trugen eine drük- 
kende Hypothek: Unordnung, ungesunde Verhält 
nisse und nicht zuletzt eine Häßlichkeit, die 
ihnen das dem Zufall überlassene Wachstum je 
nach den sich gerade stellenden Bedürfnissen 
und die infolgedessen ohne Folgerichtigkeit, ohne 
Methode und ohne vorherige Planung ergrif 
fenen Maßnahmen aufprägten. Wieviele Gebäude 
hätten nicht müssen abgerissen werden, deren 
kleine und finstere Höfe und enge Lichtschächte 
den Wohnungen nur einen ungenügenden Anteil 
gönnten an Luft, Licht und Sonne! Wieviel enge 
Gassen, die kaum die Jahreszeiten unterscheiden 
ließen und die daher mit Recht „freudlose 
Gassen“ genannt werden konnten, erlaubten 
keinerlei freien Ausblick, gestatteten nur einen 
ungenügenden und durch andere einmündenden 
häufig verstopften und verlangsamten Verkehr; 
wieviel innerhalb unserer Wohnviertel mitten 
unter den Häusern erbaute Fabriken störten die 
Ruhe durch ihren Lärm, verpesteten die Luft 
durch ihren Gestank und Qualm! Welcher Raub 
bau an Zeit, an Kräften, an Glück und an Ge 
sundheit, und noch nicht zuletzt auch welche 
Verluste an Geld! Welche Vorbelastungen auf 
unserer menschlichen Arbeitskraft, die doch die 
Quelle unseres Reichtums ist! Und wie war doch 
dieser Zustand zu allen Zeiten und in allen Län 
dern das vorherrschende Problem für die Hygie 
niker, die Soziologen und die Städtebauer! 
Nach dem Krieg ist es jetzt möglich, nicht 
nur eine weitgehende Umgestaltung vorzunehmen, 
sondern einen vollständig neuen Stadtplan auf 
zustellen, So hat also diese Katastrophe una 
immerhin eine kleine Wohltat gebracht, näm 
lich die Möglichkeit einer wahrhaften Aufer 
stehung in einer schöneren Form für unsere 
Heimstätten, unsere Fabriken und unsere Städte. 
Da sind nun eine Anzahl Grundsätze zu beachten, 
die unsere vorliegende Arbeit über Städtebau 
und Architektur bestimmen müssen; sie heißen, 
Freiheit, Ordnung, Fortschritt, Hygiene, Wirk 
samkeit und endlich^ Schönheit. 
Erste Losung: Freiheit 
Die Stadt, das Haus, die Fabrik schaffen die 
Normen unseres Lebens. Es handelt sich für uns 
darum, dieser Norm einen menschlicheren Sinn 
zu geben. Da heißt es zunächst, das Familien 
leben von sefnen Lasten zu befreien: da ist zu 
nächst die Frau, die Mutter, häufig genug eine 
Magd ihrer Hausfrauenpflichten, niedergedrückt 
durch die eintönige freudlose tägliche Arbeit, 
durch die Verpflichtung, für das Essen zu sorgen 
und einen Haushalt zu führen in einem Hause, 
das dafür schlecht und unrationell eingerichtet 
ist. — Notwendige Folgerung: eine sorgfältig 
durchstudierte Wohnungsplanung, um den je 
weiligen Arbeitsweg zu verkürzen, Zeit und Mühe 
zu sparen, mühevolle Bewegungen auf ein Min 
destmaß zurückzuführen, indem das notwendige 
Werkzeug und jede Arbeit leicht zur Hand ist, 
ausreichende Beleuchtung und Möglichkeit freier 
Bewegung. Weiter heißt es auch, den Hausvater 
zu befreien; ihm in seinem Hause sein wirklich 
privates Heim zu geben, wo er je nach seinem 
Wunsch seine technische Arbeit fortsetzen oder
	        
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