Horchposten üer Waffen-ff. Die Trillerpfeife, die den Kameraden das
Herannahen des Gegners ankündigt, der aufgegurtete Ladestreifen und
scharfgemachte Handgranaten liegen neben den Männern in Griffnähe
oder hängen an dem Baum.
Aufnahme: ff-Kriegsberichter Adendorf.
nicht doch durch die Er¬
eignisse vergangener Mo¬
nate eine innere Erschütte¬
rung erfahren haben. In
einer ganz kleinen, schma¬
len Behausung am Kuban
hat dieses Thema eine Nacht
gefüllt und erfüllt, während
die Lehmmauern vom Ar¬
tillerieduell zitterten.
In dieser Nacht zog das
vergangene halbe Jahr noch
einmal in Schattenbildern
an uns vorüber. Städte¬
namen aus dem Kaukasus
und vom Gebiet zwischen
Wolga und Don tauchten
auf und standen gleich
Mahnmalen mitten unter
uns. Sie muteten wie Kilo¬
metersteine an, die den
Vormarsch des Sommers
ebenso markierten wie die
Absetzbewegungen des Win¬
ters. Kameraden standen
zwischen uns, die auf dem
Marsch zwischen Wolga und
dem westlichen Kaukasus
ihren Ruheplatz gefunden
hatten und deren Namen
nun als das Gewissen der
Front auf tauchten. In den
Gesichtern, die von diesen
Ereignissen berichteten, lag
etwas Neuartiges, etwas, was
der Front nicht vom ersten
Tag anstand. Noch im letz¬
ten Sommer konnte man
jungen Menschen begegnen,
in deren Gesicht wohl die
Jugend, in deren Reden
aber das tiefe Wissen
um die letzten Dinge des
menschlichen Lebens stan¬
den. Dieser Gegensatz von
innen und außen scheint nach dem vergange¬
nen Winter ausgeglichen zu sein. Das äußere
und das innere Gesicht des Soldaten hat
einen gleichen Ausdruck gefunden, der sich
in den harten Konturen scharf geschnittener,
gebräunter Profile offenbart. Ein bitterer
Ernst steht in diesen Gesichtern, die die Welt
nüchtern sehen und erkennen.
Der Krieg ist für sie zunächst einmal zu
einem ganz nüchternen Rechenexempel ge¬
worden. Sie sehen den Gegner und sein
Material. Daran ermitteln sie die Notwen¬
digkeiten für ihren eigenen Kampf. Die
Gefahr besteht, daß durch eine solch nüch¬
terne Rechnung der Krieg als Naturerschei¬
nung den Menschen überwältigt. Unter denen,
die darüber sprachen, war ein Soldat aus
dem ersteh Weltkrieg. Er erzählte von dem
Zweikampf des Materials, der damals eine
völlig neue Erscheinung gewesen war. Nicht
selten kam es vor, daß der Selbsterhaltungs¬
trieb des einzelnen Soldaten sich zum Ver¬
nichtungstrieb wandelte. Der einzelne
Kämpfer konnte oft im unmittelbaren Hin¬
terland nicht mehr begreifen, daß ein Haus
noch unberührt war. Er lebte auch inner¬
lich oft so stark im Ruinen- und Graben—
dasein, daß er die normale Lebensform ab¬
zulehnen begann. Seine Mentalität wünschte
dann und wann im vierten Kriegsjahr erhal¬
tenen Häusern oder noch gut aussehenden
Auslagen die Wirkung von Bomben und
Granaten. Ein Zeichen, daß der einzelne im
materialmäßigen Denken aufzugehen drohte
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