Full text: 72.1944 (0072)

zieht. Wer noch zweifelt, dem zeige ich 
Beispiele dieses einstigen Rufnamens: 
1598 heißt in Bierbach (westlich von Zwei¬ 
brücken) ein Mann „Diel Schneider“, 1634 
ein anderer „Diel Metzler“, und wenn man 
öfter Thiel oder Till schreibt, bedeutet das 
auch nichts anderes, ja selbst Dil- oder 
Diel- oder Thil- oder Tillmann ist das¬ 
selbe. Oder rufen wir nicht auch Buben 
gelegentlich statt Peter oder .Karl heute 
noch scherzhaft oder kosend Petermann 
oder Karlmann? 
Ich kann ja nicht alle Namen dieser Art 
erklären, will nur ein paar besondere Bei¬ 
spiele noch herausgreifen. Wie Fritz, Heinz 
und Dietz Verkleinerungs- und Koseformen 
zu den vollen Namen Friedrich, Heinrich 
und Dietrich sind, so gehen die heutigen 
Familiennamen Kunz, Rutz und Butz auf 
die gleichlautenden ehemaligen Rufnamen 
zurück und sind Verkleinerungs- und 
Koseformen zu Konrad (älter Kuonrat), 
Rudolf und Burkhard. Merkwürdig mutet 
uns Jennewein an, ist aber nur eine mund¬ 
artliche Umbildung zu Genuinus, einem 
Heiligennamen, der genau so zum Ruf¬ 
namen wurde wie Georg oder Stefan. 
Nicht anders ging es mit Dionysius; in der 
Verkürzung Nisius, weiterhin Nieß oder 
Nießen und ebenso in Neis und Neus (Neuß) 
lebt der einstige Heiligen- und Taufname 
im Familiennamen fort. Ebenso ist es bei 
Blasius, Bläsius (Blaesius), Blaes, Blaß und 
Bleß, ferner wurde Matthias zu Thies und 
Theiß verkürzt und Matthäus dazu noch 
zu Tewes oder Dewes zerdehnt, ja selbst 
zu Debus gewandelt. Da ist schon leichter 
einzusehen, daß der Heiligenname Vitus 
im Ruf- und Familienname Veit (Feith) 
fortlebt, und wem Quint (oder in nord¬ 
deutscher Weise Quinten) als Herleitung 
vom Heiligennamen Quintinus fremd vor¬ 
kommt, der sei daran erinnert, daß nach 
eben demselben Heiligen auch der Berg 
St. Quentin bei Metz und die gleichnamige 
Stadt weit in Frankreich drin benamt sind. 
Wie ein Vater seinen Kindern seinen 
Rufnamen als Zu- und Familiennamen in 
der Weise vererben konnte, wie es oben 
geschildert wurde, so konnte es ausnahms¬ 
weise auch einmal die Mutter, nicht bloß 
wenn sie einen unehelichen Sohn hatte, 
sondern auch wenn ihr Mann früh starb 
und sie nun der Mittelpunkt der Familie 
war oder wenn sie durch ihr Temperament 
und ihre Tatkraft ihren Mann in den 
Schatten stellte (was gar nicht so selten 
Vorkommen soll). Wir begreifen also, daß 
die Abkürzung zu Sophie, die man aber 
zumeist nicht Phie, sondern Fyhe schrieb, 
in der Wandlung zu Fey weiterlebt (der 
Wandel von i oder y zu ei oder ey hat sich 
ja auch in altem win, bil, rieh vollzogen, 
die heute „Wein, Beil, Reich“ lauten). 
Genau so geht Even oder Ewen auf Eva 
und Eiden auf Agathe zurück, ist Lies- 
oder Lis- oder Lißmann eigentlich ,der 
Mann (Ehegatte) einer Liese (Elisabeth)“. 
Sehr beliebt war im 15.—17. Jahrhundert 
der Frauenname Demut(h) (eigentlich 
hieß er ursprünglich Diotmut); als Familien¬ 
name lebt er noch weiter. In noch älterer 
Zeit war ein schöner Mädchenname aus 
altgermanischer Zeit Irmintrud; kaum ist 
es in Ehrmanntraut noch zu erkennen, 
ebenso die Abkürzung Irmin in Ehrmann. 
Nun sind aber bei weitem nicht alle 
Familiennamen aus ehemaligen Rufnamen 
entstanden. Kehren wir wieder zu unsern 
beiden Peter zurück, die wir einmal in 
Quierschied antrafen! Sie hätten ja ebenso 
gut in Dudweiler oder Sulzbach leben 
können. Vielleicht kam später noch einer 
von auswärts zugezogen, weil er ins Dorf 
hereinheiratete. Wie sollte man ihn von 
den beiden andern unterscheiden, da er 
auch nur seinen Rufnamen mitbrachte? 
Weil er aus Scheidt kam, wurde er der 
„Peter aus Scheidt“ oder kurzweg der 
„Peter Scheidt“ geheißen (auch Scheid, 
Scheith konnte dafür geschrieben werden). 
War hingegen Wahlschied sein Herkunfts¬ 
ort, dessen Name aber im Volksmund schon 
früh zu „Wählst“ (vielmehr „Wahlscht“) 
zusammengezogen wurde, dann konnte er 
„Wahlster“ als Zunamen erhalten. Solche 
aus Ortschaftsbenennungen entwickelten 
Familiennamen erhielten im südlichen 
Deutschland die Endung -er, während sie 
im nördlichen wegblieb; die Grenze zwi¬ 
schen den beiden Bildungsweisen ging 
durch unsern Gau Westmark hindurch, 
weshalb wir sie in bunter Mischung an¬ 
treffen. Die Dittlinger stammen aus Ditt¬ 
lingen (Kreis Saarburg an der unteren 
Saar), die Edinger aus Edingen (Kr. Trier); 
die Steinbach können aus dem Dorf dieses 
Namens östlich von Ottweiler gekommen 
sein, aber auch aus einem weiter entfernten, 
z. B. im Kreis Kusel oder Kirchheim¬ 
bolanden, die Selbach aus dem so genann¬ 
ten Dorf im Kreis Birkenfeld, aber auch 
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