zieht. Wer noch zweifelt, dem zeige ich
Beispiele dieses einstigen Rufnamens:
1598 heißt in Bierbach (westlich von Zwei¬
brücken) ein Mann „Diel Schneider“, 1634
ein anderer „Diel Metzler“, und wenn man
öfter Thiel oder Till schreibt, bedeutet das
auch nichts anderes, ja selbst Dil- oder
Diel- oder Thil- oder Tillmann ist das¬
selbe. Oder rufen wir nicht auch Buben
gelegentlich statt Peter oder .Karl heute
noch scherzhaft oder kosend Petermann
oder Karlmann?
Ich kann ja nicht alle Namen dieser Art
erklären, will nur ein paar besondere Bei¬
spiele noch herausgreifen. Wie Fritz, Heinz
und Dietz Verkleinerungs- und Koseformen
zu den vollen Namen Friedrich, Heinrich
und Dietrich sind, so gehen die heutigen
Familiennamen Kunz, Rutz und Butz auf
die gleichlautenden ehemaligen Rufnamen
zurück und sind Verkleinerungs- und
Koseformen zu Konrad (älter Kuonrat),
Rudolf und Burkhard. Merkwürdig mutet
uns Jennewein an, ist aber nur eine mund¬
artliche Umbildung zu Genuinus, einem
Heiligennamen, der genau so zum Ruf¬
namen wurde wie Georg oder Stefan.
Nicht anders ging es mit Dionysius; in der
Verkürzung Nisius, weiterhin Nieß oder
Nießen und ebenso in Neis und Neus (Neuß)
lebt der einstige Heiligen- und Taufname
im Familiennamen fort. Ebenso ist es bei
Blasius, Bläsius (Blaesius), Blaes, Blaß und
Bleß, ferner wurde Matthias zu Thies und
Theiß verkürzt und Matthäus dazu noch
zu Tewes oder Dewes zerdehnt, ja selbst
zu Debus gewandelt. Da ist schon leichter
einzusehen, daß der Heiligenname Vitus
im Ruf- und Familienname Veit (Feith)
fortlebt, und wem Quint (oder in nord¬
deutscher Weise Quinten) als Herleitung
vom Heiligennamen Quintinus fremd vor¬
kommt, der sei daran erinnert, daß nach
eben demselben Heiligen auch der Berg
St. Quentin bei Metz und die gleichnamige
Stadt weit in Frankreich drin benamt sind.
Wie ein Vater seinen Kindern seinen
Rufnamen als Zu- und Familiennamen in
der Weise vererben konnte, wie es oben
geschildert wurde, so konnte es ausnahms¬
weise auch einmal die Mutter, nicht bloß
wenn sie einen unehelichen Sohn hatte,
sondern auch wenn ihr Mann früh starb
und sie nun der Mittelpunkt der Familie
war oder wenn sie durch ihr Temperament
und ihre Tatkraft ihren Mann in den
Schatten stellte (was gar nicht so selten
Vorkommen soll). Wir begreifen also, daß
die Abkürzung zu Sophie, die man aber
zumeist nicht Phie, sondern Fyhe schrieb,
in der Wandlung zu Fey weiterlebt (der
Wandel von i oder y zu ei oder ey hat sich
ja auch in altem win, bil, rieh vollzogen,
die heute „Wein, Beil, Reich“ lauten).
Genau so geht Even oder Ewen auf Eva
und Eiden auf Agathe zurück, ist Lies-
oder Lis- oder Lißmann eigentlich ,der
Mann (Ehegatte) einer Liese (Elisabeth)“.
Sehr beliebt war im 15.—17. Jahrhundert
der Frauenname Demut(h) (eigentlich
hieß er ursprünglich Diotmut); als Familien¬
name lebt er noch weiter. In noch älterer
Zeit war ein schöner Mädchenname aus
altgermanischer Zeit Irmintrud; kaum ist
es in Ehrmanntraut noch zu erkennen,
ebenso die Abkürzung Irmin in Ehrmann.
Nun sind aber bei weitem nicht alle
Familiennamen aus ehemaligen Rufnamen
entstanden. Kehren wir wieder zu unsern
beiden Peter zurück, die wir einmal in
Quierschied antrafen! Sie hätten ja ebenso
gut in Dudweiler oder Sulzbach leben
können. Vielleicht kam später noch einer
von auswärts zugezogen, weil er ins Dorf
hereinheiratete. Wie sollte man ihn von
den beiden andern unterscheiden, da er
auch nur seinen Rufnamen mitbrachte?
Weil er aus Scheidt kam, wurde er der
„Peter aus Scheidt“ oder kurzweg der
„Peter Scheidt“ geheißen (auch Scheid,
Scheith konnte dafür geschrieben werden).
War hingegen Wahlschied sein Herkunfts¬
ort, dessen Name aber im Volksmund schon
früh zu „Wählst“ (vielmehr „Wahlscht“)
zusammengezogen wurde, dann konnte er
„Wahlster“ als Zunamen erhalten. Solche
aus Ortschaftsbenennungen entwickelten
Familiennamen erhielten im südlichen
Deutschland die Endung -er, während sie
im nördlichen wegblieb; die Grenze zwi¬
schen den beiden Bildungsweisen ging
durch unsern Gau Westmark hindurch,
weshalb wir sie in bunter Mischung an¬
treffen. Die Dittlinger stammen aus Ditt¬
lingen (Kreis Saarburg an der unteren
Saar), die Edinger aus Edingen (Kr. Trier);
die Steinbach können aus dem Dorf dieses
Namens östlich von Ottweiler gekommen
sein, aber auch aus einem weiter entfernten,
z. B. im Kreis Kusel oder Kirchheim¬
bolanden, die Selbach aus dem so genann¬
ten Dorf im Kreis Birkenfeld, aber auch
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