inne und wollte den Korb von seinen Schul¬
tern nehmen und Schnurli noch einmal
streicheln, aber wenn man sein Herz ver¬
lieren will, muß man sich mühen, hart zu
sein. Peter blieb auch immer noch in Ge¬
danken, als er schon die Fahrkarte gelöst
hatte und in den wartenden Zug einstieg.
Das Abteil war gut besetzt. Er stellte den
Korb oben auf die Kofferbank, und als der
Zug anfuhr, sah er schon zum Fenster hin¬
aus, als kümmerte ihn nun nichts mehr.
Irgendwo im Halse tat es ihm nur noch
manchmal weh, wenn er auf den kläglichen,
dünnen Laut hörte, der aus dem Korbe in
sein Ohr drang. Aber er sah nicht auf, er
überwand sich.
Und dann, plötzlich, auf einem Bahnhof, als
der Zug sich schon wieder in Bewegung
setzen wollte, sprang er auf, schlug die Wa¬
gentür hinter sich zu und eilte zur Sperre.
Elin Mädchen aus dem Abteil rief noch
hinter ihm her: „Sie, Herr, Sie haben ja
Ihren Korb stehen gelassen!“ Peter sah sich
nicht um. Der Zug stöhnte an ihm vorüber,
der Huf des Mädchens verhallte irgendwo an
einer leeren Stelle in seiner Brust.
Peter, der Kauz, hatte nun kein Herz mehr,
er fühlte es. Peter, der Kauz, fuhr mit dem
nächsten Zug ohne Korb und ohne Herz wie¬
der auf den Hof des Hilzschuchbauern.
Und wer Trine war?
Ei, die Kuhmagd, die des Morgens die
weißen Eimer in den Stall trug und sich auf
den vierbeinigen Schemel setzte und „nanu
Olle“ sagte, wenn sich eine Kuh mit dum¬
mem Gesicht nach ihr umsah.-
Wer Trine war?
Ach, die Kuhmagd, die immer lachen
mußte, wenn der Bauer sie hinter der Häck¬
selmaschine sprechen wollte.
Wie gut Peter den Bauern kannte. Peter
schüttete die Pferde, schirrte sie an. Peter
nahm die Sense, dengelte sie und ging, das
reife gelbe Korn zu mähen, es roch schon
ganz nach frisch gebackenem Brot.
Und wenn die Trine hinter ihm raffte und
band und beim Frühstück an derselben Korn¬
mandel saß wie er und das Brot schnitt und
ihm die blaue Kaffeekanne reichte, daß er
aus ihrem hohen Deckel tränke, was ging ihn
die Trine an, die Kuhmagd?
Und wenn es abends Pellkartoffeln gab, die
er nur mühsam zu pellen verstand und die
Trine ihm die gepellten Kartoffeln heimlich
auf seinen Teller tat, was sollte er sich schon
dafür bedanken? Er hatte ja kein Herz mehr.
Schon vor acht Tagen hatte er sein Herz ver¬
loren, in einem Korb, in einem Zug stehen¬
gelassen. Schon acht Tage aber war es ihm
dabei sonderbar genug zumute, und er wollte
es nur nicht wahr haben, daß er immerfort
an Schnurli denken mußte und des Nachts
Heimweh nach dem kleinen, warmen, atmen¬
den Leib hatte.
*
Da geschah etwas Seltsames. Als Peter am
nächsten Sonntag nachts in seinem Bett in
der Holzkammer lag und vor sich hinsann,
hörte er vor der Türe einen gar sonderbaren
Laut. Er lauschte. — War es wieder das
Lachen der Trine hinter der Häcksel¬
maschine? Was ging ihn die Trine, die
dumme Kuhmagd noch an? Peter drehte sich
auf die andere Seite und wollte nicht mehr
hinhören. Aber, obgleich er sich auch die Bett¬
decke noch über die Ohren zog, er lauschte
nur noch angestrengter. Da kratzte etwas an
seiner Tür, und es jammerte, als sei Schnurli
wieder in die Dunggrube gefallen.
Schnurli?
Peter sprang aus dem Bett, riß die Tür auf
und sah am Boden die zwei glühenden Augen,
die ihn anleuchteten. —
Elin Jubelschrei hob den Kater zu seinem
Gesicht empor, das sich glücklich in das
weiche Fell schmiegte. Vor Freuden küßte
Peter das Tier und fühlte zum ersten Mal,
wie wohl das tat. Und nun nahm Peter den
Heimgekehrten wieder mit sich in das an¬
gewärmte Bett und hörte dem Schnurren zu,
mit dem der Müde einschlief. Sein ruhiger
Atem regte den warmen Körper.
Es kann doch niemand ohne sein Herz
leben, Peter. Kein Mensch, kein Tier und so
auch du nicht!
as Lachen einer warmherzigen Mutter ist ein Klang,
der durch ein langes Menschenleben iorttönen kann.
O.v. Leisner
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