in dem Riesenland verlieren, wie vor allem
die kleineren und mittleren Städte selten
sind, die zwischen dem Dorf und der Gro߬
stadt eine natürliche Ueberleitung bilden.
Sie fehlen, ebenso wie der Mittelstand fehlt.
Land ohne Straßen und Autos.
Wenig Städte, wenig Straßen. Und wenn
Straßen, was für Straßen! Spuren durch buch¬
stäblich knietiefen Sand, morastige Pfade und
wenn einmal eine von den großen gepflaster¬
ten Ueberlandstraßen in der Vormarschrich¬
tung liegt, dann ist sie so heruntergekommen,
daß es erbarmungswürdig ist. Metertiefe
Löcher und Gruben sind seit Jahren von den
Bauernfuhrwerken immer tiefer ausgefahren
worden. Es tut ja nichts. Die paar Lastkraft¬
wagen, die auf sowjetischen Straßen den
Autoverkehr ausmachten, würgten sich schon
durch. An der Straßenmeisterei einer strate¬
gischen Straße erzählte der Straßenmeister,
daß er als Verkehrsdurchschnitt täglich bis zu
sechzig Lastkraftwagen und einen einzigen
Personenkraftwagen gezählt habe. Die Kraft¬
wagen gehören dem Staat, seinen Betrieben,
seiner Armee. Einen privaten Kraftverkehr
gab es nicht. Sowjetland wollte sich techni¬
sieren, ohne seinen Bewohnern die Freude an
guten Straßen, die Freude am eigenen Auto zu
gönnen. Bei uns das Streben, durch den Volks¬
wagen jedem Schaffenden sein eigenes Kraft¬
fahrzeug zu verschaffen, in Sowjetland sind
die paar Personenkraftwagen Vorrecht der
Kommissare. Da hat man an einem Beispiel
den verratenen Sozialismus, den um den Er¬
trag seiner Arbeit betrogenen Proleten.
Land ohne Ausland.
In den Papieren eines toten politischen Kom¬
missars fand sich unter den günstigen Zeug¬
nissen über seine sowjetische Gesinnung die
Bemerkung: Nie im Ausland gewesen. Das
war ein Lob. Wir schicken unsere HJ hin¬
aus in alle Länder, mit denen man sich über
die Zukunft der Welt unterhalten kann, wir
haben in Friedenszeiten unsere schaffenden
Volksgenossen auf Auslandsreisen mit KdF
geschickt, wir haben ständig wissenschaftliche,
technische, wirtschaftliche, künstlerische Grup¬
pen und Expeditionen draußen. Wir sehen
das Verhältnis zum Ausland so an, daß wir
sagen, je mehr einer herumkommt, umso bes¬
ser kann er seinem Land dienen und umso
tiefer wird er es lieben lernen. Denn wir
brauchen uns nicht vor dem Vergleich mit
anderen Ländern zu fürchten. Sowjetland hat
eine chinesische Mauer der Nachrichtensperre
zwischen sich und anderen und dem Ausland
auf gerichtet. In einer geistigen Abschnürung,
die ohne Vorbild und ohne Vergleich ist,
mußten 160 Millionen leben. Nur spärlich
drangen Nachrichten über ihre Leiden in die
Welt hinaus. Und sie selber, die drin saßen
im Freiheitsgefängnis, wußten nichts davon,
daß man auch anders leben konnte. Schon
den Wunsch nach einer Auslandsreise zu
äußern, war verbrecherisch. Seht euch den
Genossen Gorotschenko an, er ist Kommissar
und nie im Ausland gewesen. Da habt ihr das
Vorbild.
Sklaven für Rüstung und Propaganda.
Alle Arbeit der Sowjetunion verwandelte
sich in Rüstung und Propaganda. Eine
Rüstung ohnegleichen, die nur darauf berech¬
net sein konnte, die Welt in einem günstigen
Augenblick an allen Ecken und Enden mit
Krieg zu überziehen, wird von unserer Wehr¬
macht dem Weltfeind aus der Hand geschla¬
gen. Die Propaganda war zweiseitig. Nach
außen war ihre Arbeitsweise bekannt. Sie
gaukelte der Welt ein potemkinsches Sowjet¬
land vor, in dem alles herrlich war. Im Ver¬
ein mit dem deutschen Soldaten sehen jetzt
Freiwillige aus allen europäischen Ländern
die Wahrheit und sind entsetzt. Man hat es
sich schlimm vorgestellt. Aber so schlimm,
wie es ist, konnte man es sich gar nicht vor¬
stellen. Nach innen mußten die Schulen als
überall amtierende Verdummungsanstalten
Propaganda machen. Mochte ein ganzes Dorf
baufällig und verkommen sein, das rührte die
Behörden nicht. Eine neue Schule wurde ge¬
baut, in der den Schülern gesagt wurde, daß
sie es besser hätten als irgend jemand auf der
Welt. Dann konnten sie nach Hause gehen,
wo sie kein Bett, schlechtes Brot und die
Nachricht vorfanden, daß wieder ein Nach¬
bar oder ein Mitglied der eigenen Familie
fortgeführt worden war, von dem man nie
mehr etwas hören würde. Wer es wagte, an
dem Zwangsarbeitswahnsinn und an der sa¬
distischen Behandlung der menschlichen Num¬
mern Zweifel zu hegen, dessen nahm sich die
unheimlichste Waffe der inneren Propaganda
an, ihn erledigte die GPU.
Das ist die deutsche Lebenshaltung, und dadurch unterscheidet sich der deutsche
Mensch von allen anderen: daß er die Pflicht nicht als äußere Aufgabe ansieht, als
etwas, das ihm befohlen wird, sondern daß er sie von innen heraus bejaht,
daß er — ohne Pflichten nicht glücklich sein kann. Daraus wächst ihm aber auch die
Hoffnung, wächst ihm das Wissen um die größere und schönere Zukunft im eigenen
Leben und im Leben des Volkes. Hermann Claudius
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