VomPastor,der desKönigsFriedrich Wilhelmi.
Erlasse nicht respektieren wollte / «... s,ik «<».
Qu König hatte schlecht geschlafen. Böse
Träume hatten ihn gequält die ganze lange Nacht
hindurch, und das Podagra hatte ihm die Glie¬
der gezwickt. Nun dämmerte der Tag. Er lag
mit offenen Augen und schaute in die grauen
Schleier, die vor seinem Blick ineinanderwallten.
Die neuesten Erlasie spukten ihm im Kopf herum,
und die Bosheit und Sündhaftigkeit des Men¬
schengeschlechtes wurde ihm in dieser galligen
Morgenstunde bitter bewußt.
Aber Friedrich Wilhelm war kein Freund vom
Träumen und Sinnieren. „Ein ungerad Ding
wird nur gerad, wenn mall es anpackt", pflegte
er zu sagen. Also beschloß er, die unangenehme
Siesta zu beenden und rief mit lauter Stimme
nach Ludwig.
Schon stand der Kammerhusar in der Tür,
bedachte sich nicht lange, sondern half seinem
Herrn aus dem Bett und in die Kleider. Das
war eine schwierige Arbeit, denn Gicht und Po¬
dagra machten dem alten Herrn jede kleinste Be¬
wegung zur Qual. Doch unter Ludwigs kun¬
digen Händen wurde auch dieses Ding zu gutem
Ende gebracht.
In der Kanzlei wartete Görne, der Minister.
Er war betrübten Herzens und erwartete sich
von diesem Tage nichts Gutes, denn es waren
böse Briefe und Berichte aus dem Lande ange¬
kommen. Im Magdeburgischen herrschte Un¬
ruhe. Die beiden protestantischen Kirchen lagen
sich wieder einmal, wie so oft, in den Haaren. Sie
warfen einander die Schlagworte wie Bälle zu
und schimpften sich gegenseitig Papisten und
Pietisten. Dieser ständige Streit war der Maje¬
stät seit Jahren ein Greuel. Ihn auszurotten,
erachtete er für seine Pflicht.
„Bericht Er, Görne", sagte er auch an diesem
Morgen, nachdem Ludwig ihn bequem im Sesiel
verstaut hatte. „Wird wieder etwas Nettes sein,
was Er da hat. Ich seh's Ihm an der Nasen¬
spitze an."
Der kleine Herr von Görne zog das Gesicht in
betrübliche Falten.
„Halten zu Gnaden, Majestät", begann er,
„aber Majestät werden die jüngsten Erlasie revi¬
dieren müssen. Es ist arge Unruhe im Lande.
Im Magdeburgischen schlagen sie einander die
Schädel ein." Und er blätterte in dem großen
Aktenbande, um dem Herrn die jüngsten Ereig¬
nisse vorzutragen.
Der König fingerte an dem Reitstock herum,
den er auch im Sesiel nicht aus der Hand zu
legen pflegte, und sah seinen Minister eher nach¬
denklich als böse an. Aber das Grollen seiner
Stimme verriet den unterirdisch schlummernden
Vulkan.
„Sag Er einmal, Görne . . .", der Stock
wippte mit der Spitze vor der ministeriellen Nase
herum, „wofür hält Er mich eigentlich?"
Was sollte der Herr von Görne darauf sagen?
Er wartete zunächst einmal auf weitere Erklä¬
rungen. Die ließen denn auch nicht auf
sich warten. Der König ließ keinen Blick von
ihm.
„Hält Er mich für einen Christen?"
Nun, da brauchte man wirklich keine Aus¬
flüchte zu machen. Da konnte man aus ehrlicher
Überzeugung heraus, ja, mit stiller Bewunderung
und warmem, von Herzen kommendem Tonfall
sagen: „Ganz gewiß, Majestät."
Des Königs Blick veränderte sich nicht.
„Wenn Er da nur recht hat, mein lieber
Görne."
Ach Gott, man wußte nie, wo das hinauslief,
wenn die Majestät so freundlich redete. Beson¬
ders in solchen Morgenstunden. Hatte Ludwig
ihm nicht zugeflüstert, der König habe schlecht
geschlafen und sei ärger denn je vom Podagra
geplagt? — Aber nur immer aufrecht bleiben,
nur nicht schmeicheln, nur nicht klein beigeben:
„Eure Majestät sind der christlichste Mann im
Lande."
Auch aus diesen Worten hörte man die warme,
ehrliche Überzeugung heraus. Der König schüt¬
telte den Kopf.
„Na, dann les' Er nur, Görne, was Er da
hat." Ein Anflug von Müdigkeit und Resigna¬
tion schwang jetzt in der Stimme des Fürsten.
Da konnte der Minister erst recht kein Hehl
aus seiner Ueberzeugung machen: „Die Pfaffen
sind nicht immer die frommsten Menschen, Maje¬
stät. Und das Staatswohl liegt ihnen nicht
immer am Herzen."
Das Staatswohl! Hatte es den König ge¬
troffen? Er hob den Kopf, sah seinen Minister
an. Er war jetzt ganz ernst, ganz still, ganz be¬
sonnen. So hätten die Menschen ihn sehen sollen,
die ihn für einen dummen, polternden Grobian
hielten.