Full text: 70.1942 (0070)

In einer Ecke hing ein alter Korb. Er sah schon sehr 
abgenützt aus, und an einigen Stellen waren die Weiden¬ 
stäbe zerbrochen. . Aber Andreas erschien er wie eine 
Kostbarkeit. 
„Das ist ja unser Korb", sagte er. 
Lisa sah ihn verwundert an, und dann folgten ihre 
Augen der Richtung seines Blickes, zuerst ohne Ver¬ 
ständnis, aber plötzlich begann es auch darin aufzu¬ 
leuchten. Andreas war herangetreten, und nun hielt er 
den Korb bereits in der Hand. Seine Finger strichen 
beinahe andächtig über den Bügel; er war wie ein 
Zunge, der ein verlorengegangenes Spielzeug wieder¬ 
fand. 
„Da stehen ja noch unsere Namen darin." 
„Ja", sagte nun auch Lisa, „das ist unser Korb". 
Ihre Stimme war sehr warm dabei, als sie das sagte, 
und sie legte die Betonung auf das kleine Wörtchen 
„u n s e r", ganz unbewußt tat sie das. 
„Unser!" Was war das für ein seltsames Wort, 
obwohl es keinem bedeutenden und besonders würdigen 
Gegenstand galt, aber es lag dennoch etwas Verbin¬ 
dendes darin. 
„Unser Korb!" 
Sie standen nahe beieinander, Schulter an Schulter, 
und dann legte auch Lisa ihre Hand an den alten Korb, 
den Andreas zärtlich mit seinen Fingern umspannt hielt, 
und dann legte sie plötzlich ihre gefalteten Hände auf 
seine Schulter und ihren Kopf an seinen Arm, und 
Tränen waren in ihren Augen. 
Und Andreas legte den Korb behutsam fort und sah 
sie an, und dann nahmen sie sich in die Arme. 
Es war wie ein Wunder. 
Und es war so, wie es bei der Sonne ist, wenn sie 
aus den Wolken bricht: Zuerst fällt ihr Licht auf einen 
kleinen Platz, dann aber breitet sich der Schein aus, und 
zuletzt will er d,e ganze Welt erfüllen. 
So fiel auch der Strahl einer kleinen, unscheinbaren 
Gemeinsamkeit in das Herz dieser beiden Menschen, und 
ihr Schern wurde größer und größer, — sie fühlten es, 
wie er sich ausbreitete und wie das Wrsien um die Ge¬ 
meinsamkeit von allem Besitz nehmen wollte, das da war 
und ihnen so fremd erschien. 
Ein solcher Zauber lag in diesem einfachen Wort: 
„Unser!" 
Sie waren so bewegt davon, als sie es erkannten, daß 
Andreas, als sie in der Abendstunde hinausgingen, und 
als ihnen die warme Luft einen Duft von Blüten ent- 
geqentrug..., und als der Gesang der Vögel ihre 
Obren mit Wohllaut erfüllte und der Himmel sich groß 
über ihnen ausbreitete, — daß Andreas sie nochmals in 
seine Arme schloß, inniger denn zuvor, und daß er zu 
ihr sagte: 
„Nun beginnt unser Frühling!" 
Lisa wußte nichts besieres darauf zu erwidern als ein 
leises: „Ja!" 
Und da, in diesem Augenblick, begann in ihrem Her¬ 
zen die Liebe zu wachsen, die wurde zu einem Feuer, 
das niemals verlöschen wollte. 
Alter 
Bergmann 
Dieses alte Antlitz mußt du grüßen! 
Tag und Tun sind zweifach dir gesegnet, 
wenn ein Mann, in Ehren weiß geworden, 
dir begegnet. 
Grüß’ ihn; sieh ihm in die alten Augen; 
kannst du in den ungetrübten lesen? — ; 
,,Gott, ich dank dir für mein reiches Leben, 
das nur Tat — und darum reich gewesen!“ 
Reich ihm deine Hand. Denn seine Rechte, 
die nur Kraft verströmt’ ein langes Leben, 
wird in dich noch ihre Kraft verschenken, 
Kraft für deines Tages Werk und Streben. 
Willy Bartock. 
Dieses alte Antlitz mußt du grüßen! 
Tag und Tun sind zweifach dir gesegnet, 
wenn ein Mann, in Ehren weiß geworden, 
dir begegnet. 
137
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.