Full text: 70.1942 (0070)

Zreinmchungs- unö kricgsfchäöen im Landkreis Saarbrücken 
Von Landrat Dr. Kurth 
Als das Freimachungsgebiet im Westen, zu dem auch 
der halbe Landkreis Saarbrücken gehört, am 3. Sep¬ 
tember 1939 den Befehl zur Räumung erhielt, mußten 
die Rückgeführten angrsichls der unmittelbaren Grcnz- 
lage und der Nähe der Maginotlinie mehr oder weniger 
mit dem Gesamtverlust ihrer zurückgelassenen Habe 
rechnen. Wenn diese Besorgnis infolge der defensiven 
Grundhaltung der französischen Führung und Armee sich 
auch nicht voll verwirklicht hat, so sind doch Schäden 
und Verluste an beweglichem und unbeweglichem Gut 
in einem Ausmaß eingetreten, daß der Führer sich ver¬ 
anlaßt sah, nach Beendung des Westfeldzuges Weisung 
zur alsbaldigen und großzügigen Beseitigung der Frei- 
machungs- und Kriegsschäden zu geben. 
Die gesetzliche Grundlage zur Feststellung dieser Schä¬ 
den bildet die Kriegssachschädenvcrordnung vom 30. No¬ 
vember 1940. Sie regelt in erster Linie die Feststellung 
und Entschädigung der Schäden, die seit dem 26. Au¬ 
gust 1939 an beweglichen und unbeweglichen Sachen 
durch Beschädigung, Zerstörung oder sonstigen Verlust 
infolge eines Angriffs auf das Reichsgebiet oder durch 
Räumung, Freimachung oder Wcgschaffung der Habe 
der Bevölkerung entstanden sind. Bei der Fülle der zu 
erwartenden Sachschädcnsanträge — es wird mit rund 
45 000 Anträgen im Landkreis Saarbrücken gerechnet — 
konnten die Geschädigten natürlich nicht regelmäßig auf 
das notwendigerweise zeitraubende Feststellungsver¬ 
fahren (Entschädigung in Geld) verwiesen werden, son¬ 
dern es mußte möglichst sofort, und zwar über den Weg 
der Ersatzleistung in Natur geholfen werden. Jnfolge- 
deffcn wurden auf Anregung der Partei für die notwen¬ 
digsten Hausrats- und Bedarfsgegenstände Gutscheine 
eingeführt, die nach Bestätigung des Bedarfs durch die 
örtliche Parteileitung von den Bürgermeistern ausge¬ 
stellt, von den Gewerbetreibenden bedient und später von 
den Kreisverwaltungen aus Mitteln des Reiches hono¬ 
riert wurden. So sind über die Gutscheinaktion, die seit 
dem 30. April 1941 abgeschlosien ist, in unserem Kreis 
für rund 8,6 Millionen RM. Bedarfsgegenstände den 
freigemacht gewesenen Haushaltungen zugeführt worden. 
Auch die Beseitigung der durch Beschuß, den harten 
Winter sowie die mangelnde Pflege und Unterhaltung 
hervorgerufenen Schäden an und in den Gebäuden im 
Räumungsgebiet, wurde aus Zwcckmäßigkeitsgründen 
zunächst nicht über die Einzclfeststcllung nach der Kriegs¬ 
sachschädenverordnung sondern über die sogenannte In¬ 
standsetzungsaktion durchaeführt, die ebenso wie die Gut¬ 
scheinaktion als eine Maßnahme der Ersatzleistung in 
Natur anzusprechen ist. Zu diesem Zweck wurden die 
Baufach- und -Hilfsarbeiter aus dem Freimachungs¬ 
gebiet als erste vor dem Gros der übrigen Rückgeführten 
zurückgerufen. Da diese einheimischen Arbeitskräfte und 
die aus den rücklicgendcn Teilen des Gaues eingesetzten 
Handwerker zur Bewältigung des ungeheueren Arbeits¬ 
anfalles nicht ausreichten, wurden weitere Fach- und 
Hilfsarbeiter des Bau- und Baunebengewerbes aus 
allen Teilen des Großdeutschen Reiches, zumeist zu 
Arbeitsgemeinschaften zusammengefaßt, im Freimachungs- 
gcbict eingesetzt. 
Sowohl der Kräfteeinsatz wie auch die Material¬ 
beschaffung erfolgt unter zentraler Lenkung durch das 
Wiederaufbauamt des Reichsstatthaltcrs. Für den Be¬ 
reich des Kreises liegen die Jnstandsetzungs- und 
Wicderaufbaumaßnahmcn in der Hand der Wieder- 
aufbauabtcilung des Landrats. 
Während normalerweise Wohnungen erst dann in 
Gebrauch genommen werden, wenn sie fertiggestellt sind, 
standen hier die verantwortlichen Stellen vor der Auf¬ 
gabe, die von den Heimkehrern in Benutzung genom¬ 
menen und zum Teil nur noch notdürftiges Obdach bie¬ 
tenden Wohnungen möglichst schlagartig in Stand zu 
setzen. Da die Zahl der wiederherzustellenden Woh¬ 
nungen in die Tausende geht, war der äußerste Kräfte¬ 
einsatz aller an der Lösung dieser Aufgabe Beteiligten 
von Nöten. Bis zum I.Iuni ds. Is. konnten trotz der 
bekannten Schwierigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits¬ 
einsatzes und der Materialbeschaffung im Kreis 
23 409 Wohnungen 
wiederhergestellt und bewohnbar gemacht werden. Außer¬ 
dem haben die Saarpfälzischc Heimstätte in den von ihr 
erstellten Siedlungen 695 Wohnungen unddieSaar- 
gruben-A.G. in grubeneigenen Häusern 
670 Wohnungen in eigener Regie in 
Stand gesetzt. Zur Bewältigung dieser Arbeiten 
wurden 682 Firmen eingesetzt, die mit ihren Fach- und 
Hilfskräften bis zum 1. Juni ds. Is. 
1 461 520 Tagewerke 
geleistet haben. Die ausgeführten Arbeiten erforderten 
bis zum vorgenannten Zeitpunkt einen Sachkostcnauf- 
wand von 
26 741 262 RM. 
Wie riesenhaft das Ausmaß der angefallenen Ar- 
beiten war, möge man aus den im folgenden beispielhaft 
angeführten Vergleichszahlcn ersehen; 
Die für die instandgesetzten Heizungen notwen¬ 
digen Eiscnmcngen füllen 93 Güterwagen — 
2 Gütcrzüge; 
die Länge der für die Wiederherstellung elek¬ 
trischer Installationen verbrauchten Rohre — 
400 km kommt der Strecke von Saarbrücken 
bis Hannover gleich, 
wogegen die verwendeten Tapetenrollen — 2670 
km einen Streifen von Saarbrücken bis 
Alerandria oder von Saarbrücken bis zur Süd- 
wcstccke von Grönland bedecken würden. 
Trotz der vorangeführtcn Leistungen und Lieferungen, 
die sich auf den Zeitraum von 10 Monaten verteilen, 
sind noch nicht alle Wohnungen in den freigemacht ge¬ 
wesenen Gemeinden unseres Kreises völlig wiederher¬ 
gestellt. Gleichwohl gestatteten die Entwicklung der 
Arbeitsmarktlage und die notwendige Konzentrierung der 
100
	        
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