Full text: 69.1941 (0069)

Der Bergbau ein Gestalter Deutschlands! 
Wir erleben es immer wieder, wie sehr der 
Bergbau das Gesicht einer Landschaft ändert. 
Zuerst stehen in Feldern und Äckern einige 
Bohrtürme, in denen nur eine kleine Beleg¬ 
schaft arbeitet. Maschinen fauchen, Bohrgestänge 
klirren, und ein Bohrer frißt sich immer tiefer 
in die Erde, um die Schätze zu suchen, die uns 
im Leben dienen sollen. 
Doch um den schlanken Turm gehen noch 
Pflug und Egge, sät und erntet der Bauer auf 
seinem Felde, bis die Männer im Turm fündig 
sind. 
Dann weichen die hölzernen Türme einem 
hohen eisernen Fördergerüst. Die Eisenbahn 
fährt bis zum Schacht und bringt Menschen, 
Baumaterial und Maschinen. Die Schacht¬ 
anlage dehnt sich aus, und nicht weit von ihr 
wachsen Häuser um den neu erstandenen Wir¬ 
kungskreis. 
Denn wo der Bergbau Segen bringt, da bil¬ 
den sich Gemeinschaften, entstehen Dörfer und 
Städte, da gestaltet er das Gesicht der Landschaft 
und prägt ihr und den Menschen seine Eigen¬ 
art auf. 
Diese gestaltende Kraft, die wir heute noch 
erleben, übte der Bergbau schon in alter Zeit 
auf Menschen, Völker und Staaten aus. 
Wenn man die Geschichtskarte Deutschlands 
zur Zeit der fränkischen und sächsischen Kaiser 
betrachtet, dann lieft man an der Stelle, da das 
Erzgebirge aufgezeichnet sein muß, den Namen 
„Miriquidi". Dieser Name bezeichnet einen 
Wald, der wegen seiner unwegsamen Wildheit 
bei allen Menschen verrufen war und durch den 
kaum eine dürftige VerbindungSftraße führte. 
Deutschen Bergleuten war es vorbehalten, die¬ 
sen GebirgSwald durch ihre Arbeit und Kultur 
zu erobern, ihn bewohnbar zu machen und ihn 
von seinen Schrecken zu befreien. 
In Mitteldeutschland lag ein unwirtliches 
Gebirge, der Harz. Deutsche Bergleute entdeck¬ 
ten hier Erze, schürften sie, bauten sie und bahn¬ 
ten der Kultur den Weg. 
Wo in den Alpen nur selten der Fuß des 
Gemsenjägers über hartes Gestein kraxelte, da 
schlug der Bergmann ein und holte aus den 
Felsen das Erz. 
Überall in deutschen Gauen, im Thüringer 
Wald, in Westfalen, am Rhein, im Elsaß, in 
Schwaben, in Bayern, in der Pfalz, an der 
Saar, in Franken, Böhmen, Mähren, Schle¬ 
sien, Österreich, Salzburg, Berchtesgaden, Kärn¬ 
ten, Vorarlberg, Tirol und Krain legten deutsche 
Knappen in unwegsamen Gebirgen Stollen und 
Schächte an und gruben die Schätze aus 
Bergestiefen. 
Diese Arbeitsstätten lagen fernab von mensch¬ 
lichen Niederlasiungen und zwangen den Berg¬ 
mann, sein Haus unmittelbar bei der Grube zu 
bauen. Um das Haus rodete er den Wald, denn 
der Bergbau verlangte ja Holz. Stempel und 
Bretter mußten für den Betrieb der Gruben 
hergestellt werden. Zum leichteren Hereingewin¬ 
nen der Mineralien wurde Holz beim Feuer¬ 
setzen gebraucht, Holzkohlen waren für das 
Schmelzen der Erze notwendig, und auch der 
Hausbrand verschlang ein gut Teil davon. So 
lichteten sich die dunklen Wälder und bald ent¬ 
standen weite Rodungen mit Grasplätzen und 
vielfach auch Wiesen. Der Bergmann hielt 
Haustiere. Für den Bau der Stallungen war 
ebenfalls Holz erforderlich. Vergegenwärtigt 
man sich, daß in Bergorten, in denen der Berg¬ 
segen reichlich brach, Bergbauluftige zahlreich zu¬ 
strömten, daß diese Menschen fleißig den Wald 
rodeten, dann wird man die Pionierarbeit am 
Boden recht würdigen können, die der Berg¬ 
mann in der Gebirgs- und Waldwildnis leistete. 
Die geförderten Erze mußten in Schmelz- 
und Hüttenwerken verarbeitet werden. Wie sich 
die Bergleute bei der Zeche ansiedelten, so schufen 
sich die Schmelzer und Hüttenleute ihre Woh¬ 
nungen in unmittelbarer Nähe ihrer Hütten 
und leisteten im Tale dieselbe Kulturarbeit am 
Boden, wie der Bergmann im Gebirge. 
Waren einmal Stollen und Schächte ge¬ 
trieben, standen die Hüttenwerke in Betrieb, 
dann dauerte eS gerade so lange, wie der Holz¬ 
schlag genügend Platz schaffte, und Bauern sie- 
delten stch rund um die Werke an. Sie ließen 
sich von den Hüttenherren Grundstücke verleihen 
und wurden in den Bergftädten der Knappen 
Nachbarn. 
Die rauhen GebirgSpfade forderten einen 
tadellosen Beschlag für Pferde und Wagen. So 
mußten Schmiede zugezogen werden. Die stetig 
wachsende Bevölkerung konnte ihren Bedarf an 
Lebensmitteln bester decken, wenn sich die be¬ 
treffenden Geschäftsleute ansiedelten. So zogen 
Bäcker und Fleischer, Schneider und Schuster 
in die Bergmannssiedlungen. Auch der Bergbau 
bedurfte der Handwerker, Maurer für Gruben 
und Hütten, Seiler und Kübelmacher waren 
gesucht. Jedes Handwerk fand im Bergbau 
Arbeitsgelegenheit. 
Neben der Kulturarbeit am Boden, durch die 
der Bergbau unwirtliche Gegenden erschloß, 
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