Deutschland als Erfinderland für Pulver und Dynamit
Von Bergwerksdirektor a. D. Fr. W. Landgraeber, Berlin
. Die Erfindung der Sprengstoffe ist für un¬
sere heutige Technik und Wirtschaft wie für die
Landesverteidigung ebenso wichtig geworden wie
für die Menschheit die Erfindung des Feuers.
Unsere Wehrmacht zu Lande, zu Master und in
der Luft kann ohne ihn ebensowenig auskommen
wie der Bergbau mit seinen wichtigen Aufgaben,
die Steinbruchindustrie, Hoch-, Tief-, Master-,
Landbau- und Forstwirtschaft. Bis vor nicht all¬
zulanger Zeit wurde angommen, die Chinesen
hätten das Schießpulver erfunden. Derartige
Ansichten gehören jedoch alle in das Reich der
Fabel, ebenso wie die Angaben von Moses mit
seiner Sprengftoffkiste (der BundeSlade) oder
die über die Engländer Bacon, ja selbst die, daß
der Meister der freien Künste, „Berthold der
Schwarze" als Erfterfinder zu gelten habe.
Alles was jene als Pulver bezeichneten, war
nichts weiter als verpuffende Mischungen brenn¬
barer Stoffe mit Salpeter, also sogenanntes
pyrotechnisches Feuerwerk im heutigen Sinne.
Ihnen fehlte das, worauf es vor allem an¬
kommt, nämlich die Erplosions- oder Detona¬
tionskraft moderner Sprengmittel. Heute wisten
wir, daß das Schießpulver eine rein deutsche
Erfindung ist, die von Deutschland aus ihren
Weg in die Welt nahm und nicht umgekehrt.
Vor rund 600 Iabren, im Jahre 1340, be¬
richten authentische Nachrichten von der ersten'
Pulverfabrik, die sich in Augsburg befand, ohne
daß der eigentliche Erfinder bekannt wurde. Fest
steht ferner, daß der Bernhardinermönch Ber¬
thold Schwarz, der sich als Alchemist und Gold¬
macher betätigte, um 1380 „die Kunst aus
Büchsen zu schießen" allgemein bekannt machte,
und 1388 „von wegen der Kunst, die er erfun¬
den und erdacht hat, vom Leben zum Tode ge¬
richtet worden sein" soll. Die Augsburger
Fabrik lieferte das Pulver für die in der zwei¬
ten Hälfte des 14. Jahrhunderts erstmalig in
Gebrauch genommenen Handfeuerwaffen, die
Riegler erwähnt und für die Feuerbüchsen, die
1363 in der Schlacht bei Mühldorf zwischen
Bayern und Österreich verwandt wurden, von
der der Stadtschreiber Niklas Grill berichtet.
Im Jahre 1387 wiederholte sich diese Beschie¬
ßung Mühldorfs mit Büchsen bei Tag und
Nacht. Aus diesen Überlieferungen ist ersichtlich,
daß das Pulver tatsächlich in Deutschland erst¬
mals hergestellt wurde. Der zur Pulverbereitung
benötigte Salpeter kam um jene Zeit aus Ost¬
indien und Ägypten. Er wurde einst als „Schnee
von China" bezeichnet, womit zugleich feine
Herkunft kenntlich gemacht war.
Mit zunehmender Verwendung von Schie߬
pulver zu militärischen wie zu industriellen
Zwecken ging man in Europa, vor allem in
Bayern, Preußen und Frankreich um die Mitte
des 16. Jahrhunderts dazu über, Salpeter in
landeseigenen Salpeterhütten herzustellen. Die
erste urkundlich nachweisbare Stollensprengung
für bergbauliche Zwecke fand im Jahre 1627 im
Oberbiberstollen bei Chemnitz statt. Im Jahre
1645 fand die Sprengstoffverwendung im Ober¬
harzer Bergbau Eingang, von wo aus sie sich
nach England, Schweden und weiter über die
ganze Welt anstelle der bisherigen Hereinge¬
winnung von Erzen aller Art durch Feuersetzen
oder durch Schlägel und Eisen verbreitete.
Die Salpetersieder europäischer Länder waren
bald in der Lage, den Bedarf unabhängig von
fremder Einfuhr zu fördern. Interessant ist,
daß Frankreich um das Jahr 1793, als es mit
mehreren europäischen Staaten in Krieg ver¬
wickelt und völlig auf seine eigenen Mittel an¬
gewiesen war, einen großen Teil seiner Bevölke¬
rung mit der Salpetererzeugung beschäftigte,
um den ungeheuren Anforderungen an Schie߬
pulver sicherzustellen. An allen Ecken und Enden
vor allem in Paris, hallten die Theater wider
von Lobliedern auf den Salpeter, den „Zer-
schmetterer der Tyrannen". Das Publikum fang
begeistert den Kehrreim mit. So heißt es in
einem damaligen Liede:
„Laßt uns graben in der Erde,
Rät uns doch die Freiheit so.
Folgt des Vaterlandes Stimme,
Folgt dem Ruf der Republik!
Auf, wascht Erde in den Fässern
Und verdampft das Wasser schnell,
Daß Salpeter bald erscheine —
Für den englischen Verräter
Haben nötig wir Salpeter!"
Ganz Frankreich erzeugte damals in 600
Salpctersiedereien täglich 15 000 kg.
Bis zum Jahre 1875 war das Schwarz¬
pulver das einzige zur Verfügung stehende
Spreng- und Treibmittel. Auf der Suche nach
einem ihm an Sprengkraft überlegenen Spreng¬
stoff kam man zur Anwendung von Pulver, das
Kaliumchlorat oder Pikrinsäure enthielt. Von
besonderer Bedeutung war hierbei die Ent¬
deckung der Sprengwirkung nitrierter Stoffe.
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