Full text: 69.1941 (0069)

Deutschland als Erfinderland für Pulver und Dynamit 
Von Bergwerksdirektor a. D. Fr. W. Landgraeber, Berlin 
. Die Erfindung der Sprengstoffe ist für un¬ 
sere heutige Technik und Wirtschaft wie für die 
Landesverteidigung ebenso wichtig geworden wie 
für die Menschheit die Erfindung des Feuers. 
Unsere Wehrmacht zu Lande, zu Master und in 
der Luft kann ohne ihn ebensowenig auskommen 
wie der Bergbau mit seinen wichtigen Aufgaben, 
die Steinbruchindustrie, Hoch-, Tief-, Master-, 
Landbau- und Forstwirtschaft. Bis vor nicht all¬ 
zulanger Zeit wurde angommen, die Chinesen 
hätten das Schießpulver erfunden. Derartige 
Ansichten gehören jedoch alle in das Reich der 
Fabel, ebenso wie die Angaben von Moses mit 
seiner Sprengftoffkiste (der BundeSlade) oder 
die über die Engländer Bacon, ja selbst die, daß 
der Meister der freien Künste, „Berthold der 
Schwarze" als Erfterfinder zu gelten habe. 
Alles was jene als Pulver bezeichneten, war 
nichts weiter als verpuffende Mischungen brenn¬ 
barer Stoffe mit Salpeter, also sogenanntes 
pyrotechnisches Feuerwerk im heutigen Sinne. 
Ihnen fehlte das, worauf es vor allem an¬ 
kommt, nämlich die Erplosions- oder Detona¬ 
tionskraft moderner Sprengmittel. Heute wisten 
wir, daß das Schießpulver eine rein deutsche 
Erfindung ist, die von Deutschland aus ihren 
Weg in die Welt nahm und nicht umgekehrt. 
Vor rund 600 Iabren, im Jahre 1340, be¬ 
richten authentische Nachrichten von der ersten' 
Pulverfabrik, die sich in Augsburg befand, ohne 
daß der eigentliche Erfinder bekannt wurde. Fest 
steht ferner, daß der Bernhardinermönch Ber¬ 
thold Schwarz, der sich als Alchemist und Gold¬ 
macher betätigte, um 1380 „die Kunst aus 
Büchsen zu schießen" allgemein bekannt machte, 
und 1388 „von wegen der Kunst, die er erfun¬ 
den und erdacht hat, vom Leben zum Tode ge¬ 
richtet worden sein" soll. Die Augsburger 
Fabrik lieferte das Pulver für die in der zwei¬ 
ten Hälfte des 14. Jahrhunderts erstmalig in 
Gebrauch genommenen Handfeuerwaffen, die 
Riegler erwähnt und für die Feuerbüchsen, die 
1363 in der Schlacht bei Mühldorf zwischen 
Bayern und Österreich verwandt wurden, von 
der der Stadtschreiber Niklas Grill berichtet. 
Im Jahre 1387 wiederholte sich diese Beschie¬ 
ßung Mühldorfs mit Büchsen bei Tag und 
Nacht. Aus diesen Überlieferungen ist ersichtlich, 
daß das Pulver tatsächlich in Deutschland erst¬ 
mals hergestellt wurde. Der zur Pulverbereitung 
benötigte Salpeter kam um jene Zeit aus Ost¬ 
indien und Ägypten. Er wurde einst als „Schnee 
von China" bezeichnet, womit zugleich feine 
Herkunft kenntlich gemacht war. 
Mit zunehmender Verwendung von Schie߬ 
pulver zu militärischen wie zu industriellen 
Zwecken ging man in Europa, vor allem in 
Bayern, Preußen und Frankreich um die Mitte 
des 16. Jahrhunderts dazu über, Salpeter in 
landeseigenen Salpeterhütten herzustellen. Die 
erste urkundlich nachweisbare Stollensprengung 
für bergbauliche Zwecke fand im Jahre 1627 im 
Oberbiberstollen bei Chemnitz statt. Im Jahre 
1645 fand die Sprengstoffverwendung im Ober¬ 
harzer Bergbau Eingang, von wo aus sie sich 
nach England, Schweden und weiter über die 
ganze Welt anstelle der bisherigen Hereinge¬ 
winnung von Erzen aller Art durch Feuersetzen 
oder durch Schlägel und Eisen verbreitete. 
Die Salpetersieder europäischer Länder waren 
bald in der Lage, den Bedarf unabhängig von 
fremder Einfuhr zu fördern. Interessant ist, 
daß Frankreich um das Jahr 1793, als es mit 
mehreren europäischen Staaten in Krieg ver¬ 
wickelt und völlig auf seine eigenen Mittel an¬ 
gewiesen war, einen großen Teil seiner Bevölke¬ 
rung mit der Salpetererzeugung beschäftigte, 
um den ungeheuren Anforderungen an Schie߬ 
pulver sicherzustellen. An allen Ecken und Enden 
vor allem in Paris, hallten die Theater wider 
von Lobliedern auf den Salpeter, den „Zer- 
schmetterer der Tyrannen". Das Publikum fang 
begeistert den Kehrreim mit. So heißt es in 
einem damaligen Liede: 
„Laßt uns graben in der Erde, 
Rät uns doch die Freiheit so. 
Folgt des Vaterlandes Stimme, 
Folgt dem Ruf der Republik! 
Auf, wascht Erde in den Fässern 
Und verdampft das Wasser schnell, 
Daß Salpeter bald erscheine — 
Für den englischen Verräter 
Haben nötig wir Salpeter!" 
Ganz Frankreich erzeugte damals in 600 
Salpctersiedereien täglich 15 000 kg. 
Bis zum Jahre 1875 war das Schwarz¬ 
pulver das einzige zur Verfügung stehende 
Spreng- und Treibmittel. Auf der Suche nach 
einem ihm an Sprengkraft überlegenen Spreng¬ 
stoff kam man zur Anwendung von Pulver, das 
Kaliumchlorat oder Pikrinsäure enthielt. Von 
besonderer Bedeutung war hierbei die Ent¬ 
deckung der Sprengwirkung nitrierter Stoffe. 
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