Full text: 69.1941 (0069)

(die ebenfalls noch stark über die Steinkohle er¬ 
zeugt wird) und des Treiböles. 
Die Steinkohle als industrieller Hilfsftoff 
Ein angemessener Prozentsatz der Stein¬ 
kohlenförderung wird heute in Deutschland für 
die Verkokung beansprucht und zeigt damit den 
Wert und die Bedeutung deö aus der Kohle 
durch thermische Behandlung gewonnenen 
Koks an. Die Forderung der Eisenindustrie 
nach großen Mengen billigen Kohlenstoffs 
zum Ersatz für die nicht mehr ausreichend 
zu beschaffende Holzkohle veranlaßte diese 
starke Entwicklung der Steinkohlenverkokung. 
Mit der Steinkohle in ihrem ursprünglichen 
Zustand war die Holzkohle als bis dahin 
allein übliches Reduktionsmittel nicht zu ersetzen, 
wohl aber durch den Koks, der als preiswerter 
unh geeigneter Kohlenftoffträger in ausreichen¬ 
der Menge hergestellt werden konnte. Hierbei ist 
besonders günstig, daß die für Verkokungszwecke 
hervorragend geeignete Kokskohle den größten 
Anteil an den deutschen Steinkohlenvorkommen 
hat. Es ist daher kein Wunder, daß Stein¬ 
kohlenvorkommen und Eisenindustrie sich in 
Deutschland ganz besonders eng zusammenge¬ 
schloffen haben, denn ohne Koks als Hilfsstoff 
kann heute das Eisenerz nicht aufgeschloffen und 
in den Mengen verhüttet werden, in denen es 
benötigt wird. 
Koks und Magerkohle sind ferner unentbehr¬ 
liche Hilfsftoffe in der Kalk-Brennerei, in der 
Zementindustrie, für die Erzeugung von Karbid, 
wenn sie auch mengenmäßig nicht derart hervor¬ 
stechend in Erscheinung treten, wie bei der Eisen¬ 
industrie. 
Die Steinkohle als chemischer Rohstoff 
Bei der im vorigen Abschnitt angeführten 
Steinkohlenverkokung haben wir gerade den 
Industriezweig berührt, bei dem die Steinkohle 
auch als Rohstoff zu einem besonders wichtigen 
Faktor in der deutschen Volkswirtschaft gewor¬ 
den ist. Abgesehen von der Kohlenftoffanreiche- 
rung im Koks werden bei der Verkokung 
Nebenerzeugniffe gewonnen, die eine Anreiche¬ 
rung von Bestandteilen darstellen, die neben 
dem Kohlenstoff noch in der Steinkohle vorhan¬ 
den sind. Nächst dem Kohlenstoff ist der Waffer- 
ftoff der wichtigste Bestandteil; er findet sich im 
Koksofengas und in den flüssigen DeftillationS- 
erzeugniffen in starker Anreicherung vor. Es ist 
daher kein Zufall, daß sich im letzten Jahrzehnt 
besonders enge Beziehungen zwischen der Stein¬ 
kohlenverkokung und gewiffen chemischen In¬ 
dustriezweigen entwickelt haben, um diesen wohl¬ 
feil zur Verfügung stehenden Wafferftoff zur 
Bildung von chemischen Maffengütern wie syn¬ 
thetische Düngemittel und Treibstoffe zu ver¬ 
werten. Waffergaö, hergestellt bei der Durch¬ 
leitung von Dampf durch glühenden Koks, ist 
ebenfalls zur Grundlage synthetischer Benzine 
und Treiböle geworden, während Karbid, ein 
im elektrischen Lichtbogen hergestelltes Reaktions¬ 
erzeugnis, von Koks und Kalk gerade in den 
letzten Jahren zu einem bedeutungsvollen Aus- 
gangsftoff für die weitgreifende Industrie der 
Kunststoffe, Kunstharze, des künstlichen Gummis 
geworden ist. Gerade bei den Kunststoffen mit 
dem Azetylen aus Karbid als Grundlage, ist 
die Entwicklung in ihren Möglichkeiten noch 
nicht zu übersehen. Im Zusammenhang mit der 
Verkokung sei auch auf die Bedeutung der hier¬ 
bei ebenfalls gewonnenen auf Teererzeugniffe 
aufbauenden Teerfarben- und pharmazeutischen 
Industrie nur kurz hingewiesen. Bakelite sind 
Kunstharze, die ihr Entstehen den Phenolen und 
der Karbolsäure verdanken, die wir in genügend 
reiner Form ebenfalls aus den Teerölen ge¬ 
winnen. Benzolkohlenwafferftoffe, andere wich¬ 
tige DestillationSerzeugniffe der Steinkohlenver¬ 
kokung, haben nicht nur als Treibstoff motorisch 
günstige Eigenschaften, sondern sind in der che¬ 
mischen Industrie als Lösungsmittel wie auch 
für die Sprenstoffherftellung unentbehrlich ge- 
worden. 
Weiter sei auch der Schwelung gedacht; eine 
mit der Kohle schonend vorgehende Abart der 
Kokung, ein Verfahren, deffen Anwendung bei 
der Steinkohle erst jüngeren Datums ist. Soll¬ 
ten sich für den Steinkohlen-Schwel- oder Tief- 
temperaturkoks ähnlich wichtige Absatz- und 
Verwendungsmöglichkeiten finden laffen wie 
beim Hochtemperaturkoks, dürfte der Schwelung 
eine große Bedeutung zuzumeffen sein, weil sie 
durch ihr schonendereS Verfahren eine größere 
Ausbeute an flüssigen DestillationSerzeugniffen 
bringt, die ihrerseits bereits als wertvolle Heiz- 
und Treibstoffe erkannt sind; sicherlich werden 
sich aus ihnen bei weiterer chemischer Durch¬ 
forschung noch wertvolle chemische Rohstoffe iso¬ 
lieren laffen. 
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß 
es dem Können und Wiffen deutscher Chemiker 
und Ingenieure in jahrzehntelanger zäher For- 
schungö- und Aufbauarbeit gelungen ist, die 
Steinkohle unmittelbar unter hohem Druck mit 
Wafferftoff aufzuschließen und dadurch in Ben¬ 
zin, Treib- und Heizöle umzuwandeln; volkö- 
und kriegswirtschaftlich wichtige Stoffe, die unö 
von Natur aus in nicht so reichhaltiger Form 
und Menge zur Verfügung stehen, wie die 
Steinkohle. 
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