Oer letzte Kohlenbrenner unserer Heimat n. lock.m*
Holzkohlen auS den Wäldern der Saar waren lange
Jahre hindurch sehr begehrt. Die Metallindustrie der
Saar benötigte sie wegen ihrer großen, dem Koks ähn-
lichen Heizkraft. Die chemische Industrie hatte und hat
auch heute noch vielfache Verwendungsmöglichkeiten da-
für, weil diese Kohle die Eigenschaft besitzt, große Men¬
gen von Gasen, Dämpfen und Farbstoffen aufzusaugen,
auch die Fähigkeit hat, zu entfärben und zu desinfizieren.
Holzkohle liefert als Nebenprodukte Esiigsäure, Methyl¬
alkohole und Holzteere, die besonders für die Farben¬
industrie ein sehr wichtiges Rohmaterial darstellen, na¬
mentlich die an Kalk gebundene Esiigsäure.
Die Holzkohle wurde in unseren Wäldern durch die
sogen. Meilenköhlerei gebrannt. Heute geschieht dies der
Hauptsache nach fabrikmäßig in Retorten, die von hei¬
ßem Wasierdampf erhitzt werden, um auch die Neben¬
produkte der Holzkohle zu gewinnen, die bei der Meilen¬
köhlerei ganz verloren gehen. Letztere ist darum am Ab¬
sterben. Aus den Wäldern an der Saar ist sie schon ganz
verschwunden. Vereinzelt findet man sie noch im Hoch¬
wald. Der Kohlenbrenner oder Köhler, d. i. der Mann,
der die Kohle brennt, ist aber auch hier auf den Aus¬
sterbeetat gesetzt, weil seine Art, Holzkohlen zu brennen,
nicht wirtschaftlich genug ist und deshalb dem Vierjahres¬
plan widerspricht.
Die Meilenköhlerei brennt die Holzkohle aus harz¬
freiem, wenig saftreichem Holz, das sich als Nutzholz nicht
eignet, aber eine vorzügliche, glanzlose, poröse Kohle lie¬
fert, Eigenschaften, die für ihre erfolgreiche metallurgische
und chemische Verwendung sehr wichtig sind. Der Meiler
wird auf einem kreisförmigen, ebenen Platze aufgebaut.
Das Knüppelholz wird Stück für Stück um eine Mittel¬
achse, den sog. Quandelschacht, nebeneinander gestellt, oft
in zwei, drei Schichten übereinander, nach oben spitz zu¬
laufend, so daß eine Art Halbkugel entsteht. Um die
Luft von außen dicht abzuschließen, wird der Holzhaufen
mit Rasen und einem Gemisch von Erde und feuchtem
Kohlenstaub bedeckt. Der Meiler muß von oben nach
unten brennen, nicht umgekehrt, weshalb das Feuer oben
in den Mittelschacht auf leicht entzündbare Gegenstände
geschüttet wird. Luftlöcher, deren Zahl sich nach der
Größe des Meilers richtet, sorgen für innere Zufuhr sauer¬
stoffreicher Luft, die zur Verkohlung nötig ist. Entströmt
diesen Luftlöchern blatier Dampf, so ist das Holz bis zu
dieser Stelle vorschriftsmäßig verkohlt. Brennt die
Flamme nach außen durch, so muß der Köhler eiligst weh¬
ren, da dies den Verkohlungsprozeß stört und schädigt.
Er muß deshalb, namentlich wenn er zwei, drei Meiler
gleichzeitig im Brand hat, Tag und Nacht auf den Bei¬
nen sein. Je mehr der Meiler in sich zusammensinkt, desto
weiter ist die Verkohlung vorgeschritten. Nach der Er¬
kaltung wird die Holzkohle in Körben, die so lang wie
der Wagen und mannshoch sind, verladen und zur ver¬
arbeitenden Industrie abgefahren. Die Buben in den
Dörfern, durch die die Wagen kommen, freuen sich, wenn
sie überbeladen sind und möglichst viele Stücke herab¬
fallen, die auf dem Steinpflaster wie Glas klingen. Sie
schmecken chnen „wie Zucker und Sirup". Unbewußt tun
sie ihrer Gesundheit damit auch etwas Gutes, denn Holz¬
kohle saugt allerlei schädliche Säfte aus den Verdauungs¬
organen auf, weshalb sie auch in der Medizin eine große
Rolle spielt. Frisch angestrichenen Hausfronten sind diese
verlorenen Holzkohlen allerdings nicht nützlich, denn die
Dorfbuben machen damit ihre ersten Zeichen- und Mal¬
versuche daran.
Kohlenbrenner oder Köhler kann noch lange nicht jeder
spielen. Dieses Handwerk will gelernt sein. Schon der
zweckmäßige Aufbau eines Meilers ist ein kleines Kunst¬
stück, die richtige Anbringung der Luftlöcher oder Kanäle
noch mehr. Der Meiler — in der Regel sind es zwei oder
drei in näherer oder größerer Entfernung — erfordert die
stete Aufmerksamkeit des Köhlers. Er muß bei Tag und
bei Nacht auf dem Platze sein, um schadhafte, durch¬
gebrannte Stellen der Decke des Meilers wieder abzu¬
dichten, auch, um die Gefahr eines Waldbrandes im
Keime zu ersticken,, denn die Meiler werden mitten im
Walde errichtet, damit das Holz nicht weit geschleppt zu
werden braucht. Die richtige Verkohlung des Holzes er¬
fordert eine genaue Kenntnis der Vorgänge im Innern
des Meilers. Von der Beobachtungsgabe und Erfah¬
rung des Köhlers hängt es ab, ob am Schluß ein Häuf¬
lein Asche oder gutgebrannte Holzkohle vorliegt, wenn die
Rasendecke des Meilers abgeräumt wird.
Mit dem Verschwinden des Köhlers und seiner Meiler
aus den Wäldern an der Saar hat ein Waldidyll sein
Ende gefunden. Wer allerdings erstmalig bei einem abend¬
lichen Spaziergange durch den Herbstwald unvermutet
auf den Köhler stieß, dem konnte leicht der Schreck in die
Glieder fahren. Er konnte zu dem Glauben kommen, der
„leibhaftige Gottseibeiuns" stünde vor ihm, denn der
Köhler ist entsprechend seiner Beschäftigung mit den
schwarzen, leicht abfärbenden Holzkohlen ein „schwarzer
Mann" von der Fußsohle bis zum Scheitel. Nur das
Weiße der Augen leuchtet gespenstisch aus seinem Ge¬
sicht. Sonst aber ist der Kohlenbrenner eine gemütliche
Haut, was jeder bestätigen wird, der einmal in seiner
Köhlerhütte, die einem Indianerwigwam gleicht, bei ihm
zu Gast war. Der Kohlenbrenner muß wegen seiner steten
Dienstbereitschaft neben dem Meiler wohnen. Er baut
sich deshalb dorthin eine Hütte aus Baumstämmen, deren
Wände er mit Laubästen und Rasen bedeckt und mit
Moos bedichtet. Rund um die Hütte laufen im Innern
laub- und moosgepolsterte Lagerstätten und Sitzgelegen¬
heiten. In der Mitte steht ein aus Steinen errichteter
Herd oder ein kleiner Ofen, ein sog. Pferdekopf, in dem
die Holzscheite lustig flackern. Der Köhler ist aus langer
Übung heraus ein Meister der Eintopfgerichte. Seine
Erbsen- und Linsensuppe mit Speck ist ein Leckerbissen,
besten man sich noch lange unter Zungenschnalzen erinnert.
Die Tiere des Waldes sind seine Freunde. Hirsch und
Reh kommen in abendlicher Stille bis vor seine Tür, und
die Eichhörnchen sah ich oft seine Knie hinaufklettern, um
auf seinem Schoß die Rüste aus seiner Hand zu futtern.
DaS Bogelkonzert, das er morgens in der Frühe und
abends vor dem Schlafengehen kostenlos von seiner Hütte
aus hört, ist ein unvergeßlicher Genuß. Unvergeßlich
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