Alte Schnurren aus Deutschlands Gauen
Von Hans Ermann
Der Jäckel zankte sich sehr mit seiner Frau
wegen des angebrannten Hirsebreis. Und zuletzt,
da greift er nach der Bibel und wirft sie der
Frau an den Kopf.
„Wat, und du schämst dich nicht?", ruft der
Nachbar, der die Sache beobachtet hat.
„Schämen? wat fall öck mi schämen? Ock ttöst
ihr doch mit Gottes Wort."
(Aus Königsberg.)
*
Dem Taubenmichel, der sich gerade einen
neuen Kuh stall hat bauen lassen, begegnet der
Veit und hat auch gleich was auszusetzen: „Hör
Michel, i moin, doi Stall, der sott um ebbes
höher sei?" „Was, Veit?" sagt der Tauben¬
michel, „ebbes höher sei? Wenn i in meim Stall
bin, isch noh a Schuhbreit über mir, und es gibt
nirgends koa graißeren Ochs as i".
(Aus Schwaben.)
*
Der Michel in Tranheim war auf einmal ster¬
benskrank geworden. Und weil der Doktor aus
Sandhofen verreist war, da hat die Bäuerin
schnell zum Bader geschickt, damit er doch zum
Besten sehe. Der Bader hat den Michel auch
gleich gründlich in die Kur genommen und ver¬
sprochen, daß er vor der Nacht nochmals nach¬
schauen werde. Am Abend, als er dann kommt,
schluchzt die Bäuerin, daß alles unnütz und der
arme Michel schon ungefähr tot sei.
„Io, fett isch mir doch zu arg", weint sie,
„kannsch dü di nett besinne uf ebs, was helft?
Fallt dir gar nix meh ein?"
„Allons", meint der Bader, „geschröpft hab'
i ihn schun, aach zur Ader Han i ihn gelasse. Awer
wenn d' meinscht, die Zähn kennt ich ihm noch
ausziehn."
(Aus dem Elsaß.)
*
Einer aus Bremen ist mal auf die Jagd ge¬
fahren, hat aber gar kein bißchen was geschossen.
Als er wieder nach Haus ging, da kam er an
einem Bauernhof vorbei, wo Kaninchen im Hof
spielten. Und an der Mauer da lehnte ein altes
Bäuerlein, rauchte seine Pipe und sah den Kanin¬
chen zu. Da dachte unser Jäger, hier könnte er
doch gewiß noch seine Jagdtasche billig füllen und
der Frau einen Braten mitbringen. Und so hat
denn der Bremer das Bäuerlein gefragt, ob er
mal für acht Groschen auf die Kaninchen schießen
dürfe.
„Dat is mir rächt", meinte das Bäuerlein
und schmauchte weiter und dankte höflich für die
acht Groschen...
Paff, paff, schoß der Jäger. Vier lagen da!
Er steckte sie vergnügt ein und ging des Weges
weiter. Doch da kam dem Bremer bald die Reue,
denn acht Groschen, das war zu wenig für vier
Hasen. Er geht also wieder zurück und fragte den
Bauern, ob er denn wirklich die Kaninchen so
billig abgeben könnte?
„O min Här", meinte der Alte, „dat sünn ja
nüch meine Häschens. Die hören jo dem Herrn
Pastor."
(AuS Oldenburg.)
*
Im Walddorf des Vogtlandes saßen die Bauern
eines Winterabends zusammen und tranken sich
warm beim Dorfwirt. Nach der neunten Stunde
kam auch der Nachtwächter, um sich einen zu
kaufen...
„Nu mach aber, daß du schnell wieder fort¬
kommst", mahnt einer der Bauern, „fe könne uns
derwiel das ganze Dorf wegstähle!"
„Nanu", entgegnen der verfrorene Nacht¬
wächter und bestellte sich einen neuen, „wer full
denn stähle? Iuh sind doch alle hier."
chus dem Vogtland.)
*
Die Metzgermeister von Erbach waren in Not
und klagten bei ihrem erlauchten Herrn Grafen,
daß sie ihr Fleisch nicht ganz verkaufen könnten,
und daß deshalb jede Woche viel verderbe.
Der Herr Graf ließ sich das durch den Kopf
gehen, beriet auch mit dem Geheimen Secretarius
und dem Herrn Bürgermeister. Daraufhin ward
folgende Verordnung erlassen:
Es wird unseren Metzgermeistern zu Erbach
gebotten, daß künftighin jedes Mal nur ein hal¬
ber Ochse geschlachtet werden darf.
(Aus dem Odenwald.)
Von der gesunden Fröhlichkeit, die die Su¬
detendeutschen seit jeher ausgezeichnet hat, erzäh¬
len folgende Geschichten:
Aus Nordböhmen...
Ein unbekannter nordböhmischer Krankenhaus¬
arzt ging während eines Erholungsurlaubes in
den Bürgersteiner Wäldern spazieren. Unter¬
wegs traf er einen Mann, der Schwämme pflückte
und sie in einem Korb sammelte. „Sehen Sie
sich vor", meinte der Arzt, „es gibt heuer sehr
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