erschaffen getrieben war, nach Vauernart,
wenn auch in fremdem Gebiet. Die Aerzte
bemerkten seinen treuen Fleiß, seine strenge
Sorgfalt in der Ausübung aller Pflichten,
man betraute ihn mit verantwortungsvolle¬
ren Dingen, Schwerkranke wurden seiner
Obhut unterstellt. Der Neid war wach, er
sprach mit böser Zunge über den Einsamen,
nannte ihn einen Sonderling, einen Herrn
Unbekannt. Wiste man denn irgend etwas
von ihm? Von seinem Leben, von Herkunft
und Heimat? Er stamme aus einem Dorf,
das war alles, was neugierigen Fragern zur
Antwort geworden war. Ihn focht es nicht
an, sein Leben war geordnet, ihn plagten
nicht äußere Wünsche, und der Kummer, der
geheim und oft an ihm nagte, war ein star¬
kes Gegengewicht, dem gegenüber kleinliche
Feindschaften gering wurden. Er lebte in
dem Spital, dort wohnte er, und seine Tage
vergingen in gleichruhigem Maß wie die
Nächte, in denen er oft Wache hatte, und
seine Freizeit nutzte er kaum.
Er lernte eine junge Pflegerin kennen,
sie war noch nicht lange in der Stadt, sie
stammte aus einem Dorf. Ihr schüchtern un¬
beholfenes Wesen erinnerte ihn an die Mäd¬
chen seiner Heimat, und das war der Schlüs¬
sel, der einer Liebe sein Herz öffnete. Das
Mädchen hieß Marie.
Er war 31 Jahre alt und eine Liebe hatte
in seinem Leben vorher nicht Raum gehabt,
nun umwarb er das Mädchen mit ernster
Scheu. Die lange Zeit des Alleinseins gab
seinem Werben etwas schwermütig Flehen¬
des, und das Mädchen willigte ein, feine
Frau zu werden. Sie saßen an einem freien
Nachmittag auf einer Bank im Park der
Stadt, und dort, mitten im Trubel der
Spaziergänger, verlobten sie sich, und die
Erschütterung dieses Geschehens zwang ihn,
dem Mädchen sein Leben zu erzählen, wie er
unter einem ungerechten Verdacht gestanden
und die Heimat verlassen habe, und wie ihm
die Rückkehr unmöglich gewesen sei. Und er
gestand, daß er von seinen Eltern nichts
wisse und nichts von seinen Geschwistern,
seit all jener Zeit. Da beschwor ihn das
Mädchen, das tiefe Unrecht, das er seinen
Angehörigen angetan, durch eine Heimreise
zu mildern. Er willigte nach langem Zö¬
gern, nach tagelangem Ablehnen, Vertrösten
endlich ein. Und so viel er selbst dann noch
zu reden wußte von der vermeintlichen
Sinnlosigkeit des Vorhabens, und daß die
Eltern gestorben sein könnten oder daß sie
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