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Ewige Infanterie"
Von Hauptmann'(E) Ritgen, Oberkommando der Wehrmacht
Infanterie oder technische Truppe? —
Unter diesem Schlachtruf ist in der Nach¬
kriegszeit mit ihrer stürmischen technischen
Entwicklung unter den militärischen Sach¬
verständigen aller Länder ein Streit ent¬
standen, in dem die ausschlaggebenden Män¬
ner bei aller Würdigung der technischen
Waffen immer wieder für die Infanterie
als die entscheidende Truppe Partei ergriffen
haben. Sie gilt auch heute noch als Königin
der Waffen. — Infanterie oder technische
Truppe — diese Frage beschäftigt auch nicht
minder heftig die Gemüter der jungen
Männer, die ihrer Soldatenzeit entgegen¬
sehen. Wenn es dann so weit ist, daß bei
der Musterung die Frage gestellt wird, zu
welcher Waffengattung der künftige Krieger
gern möchte, dann sind es erfahrungsgemäß
heute nicht allzu viele, die sich zur Infanterie
melden. Die Mehrzahl strebt zu technischen
und motorisierten Truppen. Warum wohl?
— Natürlich spielt hierbei das starke In¬
teresse mit, das die heutige Jugend allen
Dingen der Technik entgegenbringt. Der
eine baut Segelflugmodelle, der andere
bastelt Radio und ein dritter steckt jede freie
Minute in der Garage. Daß sie gern zur
Kraftfahrtruppe, zu den „Nachrichtern" oder
zur Fliegerei wollen, ist verständlich. Andere
wieder wollen gern zu technischen Truppen,
weil sie schon in einem Beruf stehen, dessen
Kenntnisse sie im Dienst hoffen verwerten
zu können. Aber es hat wohl doch noch einen
tieferen Grund, daß die Infanterie nicht so
begehrt ist. Wer möchte gern nur „Fu߬
latscher" sein? Stoppelhopser — wie eine
weniger drastische Zeit die Infanteristen ge¬
tauft hatte? Die Infanterie gilt in den
Augen der Jungen oft nicht soviel wie an¬
dere Waffen — das ist der springende
Punkt! Nun — die Infanterie stellt heute
immer noch den allergrößten Teil des
Heeres, und von den vielen Wünschen, die
bei den Musterungen laut werden, können
nur wenige erfüllt werden. Viele von den
„künftigen" Fliegern und Kanonieren tra¬
gen einige Monate später die Uniform der
Infanterie. Und — sie tragen sie bald gerne.
Sage mal einer einem modernen Infante¬
risten, er sei nur Infanterist! Er wird ihn
beiseite nehmen, um ihm den Star zu
stechen; wird ihm voll Stolz davon erzählen,
daß der Dienst bei seiner Waffe freilich nicht
leicht ist. Daß das aber auch nicht anders
fein kann bei einer Waffe, die heute wie
von jeher die Hauptlast des Kampfes zu
tragen hat. Er wird ihm erklären, daß eine
Truppe, die in der entscheidenden Minute
fest in der Hand ihres Führers sein muß,
nicht auf die Erziehung zu einer unbeding¬
ten Disziplin verzichten kann, wie sie der
Soldat nur im strammen Exerzieren lernt,
das überdies keineswegs im Mittelpunkt der
Ausbildung steht. Er wird von dem Hoch¬
gefühl des Stolzes sprechen, den eine Truppe
empfindet, die unter Einsatz ihrer ganzen
Kräfte große Marschleistungen vollbracht
hat. Kommt es bei den anderen darauf an,
daß der Motor durchhält, hier darf der
Mann nicht versagen; sein Wille muß es
schaffen. Und das ist das Geheimnis des
Stolzes, den alle alten Infanteristen teilen.
Wer ist es denn schließlich, der die Technik
zwingt, immer neuere, immer kompliziertere
Waffen zu konstruieren? Wer zwingt die
feindliche Führung zum Einsatz von Ge¬
schützen, Panzerwagen und Fliegern? —
Immer ist es der zähe Widerstand des un¬
beugsamen, oft auf sich gestellten und nie
verzagenden Infanteristen, der nicht vom
Platz weicht! Aufgabe der anderen Waffen
ist es, der Infanterie wie bei der Verteidi¬
gung so auch beim Angriff zu helfen. Auch
hier muß sie das schwerste Stück Arbeit allein
bewältigen.
Gute Infanteristen müssen fürwahr ganze
Kerle sein! Darum auch werden sie immer
stolz sein aus ihre Uniform und lächeln,
wenn sie später einmal an die Zeit denken,
als sie noch sagten: „Nur Infanterie?"
Wenn wir uns aufgeben, dann wird die Welt derer, die auf uns folgen, wirklich verspielt sein.
Ein jeder prüfe sein Leistungsvermögen! Den Geschlechtern, die nach uns kommen, ist ein scharfes
Richtschwert in die Hand gegeben, sie werden unser Andenken unerbittlich zur Verantwortung ziehen,
und ein Wicht, der da sagt, es läge ihm nichts daran.
Jeder gewinnt aus dem Volksgefühl die Weisung dafür, was er mit seinem Leben zu beginnen habe.
E. G. Kolbenheyer
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