Full text: 66.1938 (0066)

Nacht-! Sie kostet ihn Tausende von 
braven und tapferen Soldaten; sie reißt tüch¬ 
tige Offiziere von seiner Seite, und sie raubt 
ihm treueste Freunde-. 
Er selbst wird das Kommando führen. Er 
wird das Dorf räumen lassen, mehr aber 
auch nicht; sinnlos wäre es, sich in Nacht und 
Nebel an die rauchenden Trümmer zu klam¬ 
mern. Krachen die Kanonen lauter? Knattert 
das Eewehrfeuer heftiger? Wie hell die 
Flammen dieses unglücklichen Dorfes lodern. 
Da taumeln Verwundete, dort hallen Schmer- 
zensschreie, und im Dorf wird mit toller Ver¬ 
bissenheit gekämpft. Mann gegen Mann, mit 
Kolben und Bajonett. 
Dort kommen sie endlich, die aus Rodewitz 
herbeibefohlenen Erenadierbataillone. „Guten 
Morgen, Fritz!" donnert ihm ihr begeisterter 
Gruß entgegen. Er dankt ihnen mit der Hand 
am Dreispitz und mit verhaltenem Lächeln. 
Herrliche Soldaten sind das, Männer, die mit 
geschulterten Gewehren ins Gefecht marschie¬ 
ren und das Feuer nicht eher erwidern, als 
bis der Befehl dazu gegeben ist, Soldaten, die 
Infanteriefeuer mit einer Schnelligkeit und 
Zielsicherheit abgeben können, wie zur Zeit 
keine andere Armee. Sie werden es schaffen, 
sie werden die Lösung von der feindlichen 
Armee decken! 
Friedrich wendet sich an die Offiziere seines 
Stabes und erteilt die nötigen Befehle. Einer 
nach dem andern erweist die Ehrenbezeigung 
und jagt schneidig auf den ihm anbefohlenen 
Platz. 
„Wer verteidigt den Friedhof?" fragt 
Friedrich nach einer Weile des Beobachtern. 
„Steht dort noch der Major von Lange? Ich 
bin zufrieden mit lym. Notieren: Lange ist 
zum Oberstleutnant befördert!" 
Da keine bestätigende Antwort kommt, 
wendet Friedrich sich um, bereit, die Unauf¬ 
merksamkeit zu rügen. Er stutzt; niemand ist 
mehr bei ihm. Ohne daß es ihm bewußt 
geworden ist, hat er auch den letzten Stabs¬ 
und Ordonnanzoffizier weggeschickt. Allein 
reitet er über eine Wiese hinter dem Dorf, in 
dem der Kampf mit tollem Toben weiter¬ 
braust. 
Graut der Morgen? Löst sich der Nebel? 
Gut, dann kann man die Angreifer wenig¬ 
stens von weitem erkennen und rechtzeitig 
Gegenmaßnahmen treffen. 
„Teufel, was ist das-?! Das sind doch 
keine Preußen?!" 
Betroffen reckt der König sich im Sattel. 
Wahrhaftig, dort kommt eine Schwadron 
Panduren angerast! Hat man ihn schon eine 
Weile aus dem Dunkel heraus beobachtet und 
diesen günstigen Augenblick zum Ueberfall 
erspäht? Kein Zweifel, denn die Kerle 
kommen geradewegs auf ihn zu gejagt. Allen 
voran galoppiert ein Offizier. Der Pistolen¬ 
lauf glänzt vor seiner Faust. Der Mann 
triumphiert wohl bereits, Friedrich, den 
Preußenkönig, gefangen genommen, ihn und 
Preußen gedemütigt und den eigenen Namen 
für alle Zeiten mit eisernem Griffel in das 
Buch der Geschichte eingetragen zu haben. 
Sinnlos wäre es, sich allein der Panduren¬ 
schwadron entgegenzustellen; Friedrich gibt 
seinem Pferd die Sporen. Dieser kühne Geg¬ 
ner wird den heißersehnten Triumph nicht 
haben — —; eher wird er das Fläschchen 
austrinken, in dem er für einen solchen Fall 
Gift mit sich führt. Preußens König kann 
auf dem Schlachtfeld bleiben, niemals aber 
wird er in Gefangenschaft geraten! 
„Sire! Ihren Degen-!" brüllt der 
Pandur. 
Als Antwort hebt Friedrich die Pistole und 
schießt. Sein Pferd und das des Verfolgers 
galoppieren; das Geschoß geht fehl. 
Wild lachend schwenkt der Pandur seine 
Waffe. Dann zielt er; sorgfältig nimmt er 
das Pferd des Königs über Kimme und 
Korn; scharf berechnend gibt er vor; er nimmt 
Druckpunkt und zieht leicht durch. Der Schuß 
kracht. 
Friedrichs Pferd bäumt sich und bricht 
zusammen. Im letzten Augenblick springt er 
ab. Die zweite Pistole steckt im Halfter; in 
dieser Lage wird der Degen nichts nützen. 
Dort kommt der Pandur angejagt, gefolgt 
von seiner Schwadron. Ist das die letzte 
Minute —? Nicht zögern! Das Fläschchen —! 
„Majestät, zu Pferd!" brüllt in diesem 
Augenblick eine Stimme neben dem König. 
Hastig wendet Friedrich sich um. Ein hoch¬ 
gewachsener junger Offizier ist, vom König 
unbemerkt, herangebraust gekommen und ab¬ 
gesprungen. Er hält den Steigbügel, hilft dem 
König auf das Pferd, drückt ihm eine Pistole 
in die Hand und wendet sich sofort mit dem 
Degen in der Faust dem Pandurenoffizier 
entgegen. Friedrich kann nur noch sehen, daß 
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