Nacht-! Sie kostet ihn Tausende von
braven und tapferen Soldaten; sie reißt tüch¬
tige Offiziere von seiner Seite, und sie raubt
ihm treueste Freunde-.
Er selbst wird das Kommando führen. Er
wird das Dorf räumen lassen, mehr aber
auch nicht; sinnlos wäre es, sich in Nacht und
Nebel an die rauchenden Trümmer zu klam¬
mern. Krachen die Kanonen lauter? Knattert
das Eewehrfeuer heftiger? Wie hell die
Flammen dieses unglücklichen Dorfes lodern.
Da taumeln Verwundete, dort hallen Schmer-
zensschreie, und im Dorf wird mit toller Ver¬
bissenheit gekämpft. Mann gegen Mann, mit
Kolben und Bajonett.
Dort kommen sie endlich, die aus Rodewitz
herbeibefohlenen Erenadierbataillone. „Guten
Morgen, Fritz!" donnert ihm ihr begeisterter
Gruß entgegen. Er dankt ihnen mit der Hand
am Dreispitz und mit verhaltenem Lächeln.
Herrliche Soldaten sind das, Männer, die mit
geschulterten Gewehren ins Gefecht marschie¬
ren und das Feuer nicht eher erwidern, als
bis der Befehl dazu gegeben ist, Soldaten, die
Infanteriefeuer mit einer Schnelligkeit und
Zielsicherheit abgeben können, wie zur Zeit
keine andere Armee. Sie werden es schaffen,
sie werden die Lösung von der feindlichen
Armee decken!
Friedrich wendet sich an die Offiziere seines
Stabes und erteilt die nötigen Befehle. Einer
nach dem andern erweist die Ehrenbezeigung
und jagt schneidig auf den ihm anbefohlenen
Platz.
„Wer verteidigt den Friedhof?" fragt
Friedrich nach einer Weile des Beobachtern.
„Steht dort noch der Major von Lange? Ich
bin zufrieden mit lym. Notieren: Lange ist
zum Oberstleutnant befördert!"
Da keine bestätigende Antwort kommt,
wendet Friedrich sich um, bereit, die Unauf¬
merksamkeit zu rügen. Er stutzt; niemand ist
mehr bei ihm. Ohne daß es ihm bewußt
geworden ist, hat er auch den letzten Stabs¬
und Ordonnanzoffizier weggeschickt. Allein
reitet er über eine Wiese hinter dem Dorf, in
dem der Kampf mit tollem Toben weiter¬
braust.
Graut der Morgen? Löst sich der Nebel?
Gut, dann kann man die Angreifer wenig¬
stens von weitem erkennen und rechtzeitig
Gegenmaßnahmen treffen.
„Teufel, was ist das-?! Das sind doch
keine Preußen?!"
Betroffen reckt der König sich im Sattel.
Wahrhaftig, dort kommt eine Schwadron
Panduren angerast! Hat man ihn schon eine
Weile aus dem Dunkel heraus beobachtet und
diesen günstigen Augenblick zum Ueberfall
erspäht? Kein Zweifel, denn die Kerle
kommen geradewegs auf ihn zu gejagt. Allen
voran galoppiert ein Offizier. Der Pistolen¬
lauf glänzt vor seiner Faust. Der Mann
triumphiert wohl bereits, Friedrich, den
Preußenkönig, gefangen genommen, ihn und
Preußen gedemütigt und den eigenen Namen
für alle Zeiten mit eisernem Griffel in das
Buch der Geschichte eingetragen zu haben.
Sinnlos wäre es, sich allein der Panduren¬
schwadron entgegenzustellen; Friedrich gibt
seinem Pferd die Sporen. Dieser kühne Geg¬
ner wird den heißersehnten Triumph nicht
haben — —; eher wird er das Fläschchen
austrinken, in dem er für einen solchen Fall
Gift mit sich führt. Preußens König kann
auf dem Schlachtfeld bleiben, niemals aber
wird er in Gefangenschaft geraten!
„Sire! Ihren Degen-!" brüllt der
Pandur.
Als Antwort hebt Friedrich die Pistole und
schießt. Sein Pferd und das des Verfolgers
galoppieren; das Geschoß geht fehl.
Wild lachend schwenkt der Pandur seine
Waffe. Dann zielt er; sorgfältig nimmt er
das Pferd des Königs über Kimme und
Korn; scharf berechnend gibt er vor; er nimmt
Druckpunkt und zieht leicht durch. Der Schuß
kracht.
Friedrichs Pferd bäumt sich und bricht
zusammen. Im letzten Augenblick springt er
ab. Die zweite Pistole steckt im Halfter; in
dieser Lage wird der Degen nichts nützen.
Dort kommt der Pandur angejagt, gefolgt
von seiner Schwadron. Ist das die letzte
Minute —? Nicht zögern! Das Fläschchen —!
„Majestät, zu Pferd!" brüllt in diesem
Augenblick eine Stimme neben dem König.
Hastig wendet Friedrich sich um. Ein hoch¬
gewachsener junger Offizier ist, vom König
unbemerkt, herangebraust gekommen und ab¬
gesprungen. Er hält den Steigbügel, hilft dem
König auf das Pferd, drückt ihm eine Pistole
in die Hand und wendet sich sofort mit dem
Degen in der Faust dem Pandurenoffizier
entgegen. Friedrich kann nur noch sehen, daß
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