sen Kemenate empor, und: „Wo fehlts?"
Ist erst erstaunt, als das Katchen ihm ant¬
wortet: „Rirjends, Herr Dokder! —Ich Hann
nure seit drei Monat meine Lohn nit tritt
un jetzt schtehn ich nit ehr uff, biß ich mei
Mubbee Hann!" Dann aber ermannt er sich
und sagt: „Rick mol e bisje, mei Madche,
dann leje ich mich bei dich — vielleicht kriehn
ich dann meins aa!"
Auch als Zahnbehandler genoß er einen
hervorragenden Ruf. Aus welchem Grunde
ihn auch eines bekannten Knappen Frau auf¬
sucht. Wie üblich, mit der nötigen Menge
Angst in der Hose. Wimmernd sitz sie auf dem
bekannten Folterstuhl, läßt sich willig in den
Mund gucken und den Zahn befühlen. Wie
er aber die Zange ansetzt und mit dem harten
kalten Stahl der Frau an den kranken Zahn
kommt, übermannt die Angst alle menschlichen
Gefühle und — was man nicht in der Hand
hat, muß man eben fahren lassen — sie explo¬
diert. Mit hörbarem Geräusch. Und Meister
Langguth, der ebensowohl Meister Langmut
heißen könnte, unterbricht seine Arbeit, lächelt
freundlich und sagt — diesbezüglich — „So,
der wär als schunn emol eraus!" Worauf
die gute Frau ihr Gejammer — eine schmerz¬
lose Sache, denkt sie — unterbricht und aus
tiefstem Herzensgründe erlöst seufzt: „Gell,
Herr Dokder, n'ier wickle ne mr e bisje in!"
Wie er mal spät nachts — man will doch
mal ausspannen — selbstredend mit einer
etwas starken Schlagseite nach Hause kommt,
wird er noch schnell von einer sehr außen¬
seitigen Patientin verlangt. Er macht sich
auch, wie das seine Pflicht ist, dahin auf den
Weg, setzt sich zu ihr ans Bett und nimmt
gewohntermaßen ihren Arm in die Hand, den
Puls zu fühlen. Kann diesen aber in seinem
Zustand im ersten Moment nicht finden und
sagt brum halblaut,mehr zu sich selbst: „Wahr¬
haftig besoffen!" — worauf die Patientin
ihm schämig zuflüstert: „Stimmt — hick —
lieber Doktor — aber, gelt, bitte — hick —
verraten Sie mich nicht!"
Ein andermal wird er zu einem Herzkranken
bestellt, bei dem er kaum den Puls zwischen
den Fingern, sofort merkt, daß der auch —
wie man so sagt — einen sitzen hat, zählt
drum: „— drei — vier — finef — unterbricht
sich: Ihr saufe zuviel! — zählt weiter: zehn —
elef — zwelef — !" Aber der gute Mann ver¬
teidigt sich und sagt: „U-u-n — so — viel —
kss — kss — wares — a-awwer fein nit! —
Jje! — Ru-ure siwwe Halwe u-un drei
Knuppe!"
Weil wir nun aber mal — wie immer bei
solchenGelegenheiten—bei der edlen Sauferei
angelangt sind, so soll auch jene Sache nicht
vergessen sein, die ihm mal mit seiner Frau
vorgekommen ist.
Also, das war so! Im Kasino wars mal
wieder sehr schön gewesen und die Sitzung
hatte mal wieder einen langen Verlauf ge¬
nommen, so daß er mit Recht fürchtete, daß
seine, um sein Wohl sehr besorgte Frau, ihm
dieserhalb die schwersten Vorwürfe machen
würde! Und da er — wem gehts nicht genau
so? — schon alle Vorräte an den üblichen
Ausreden erschöpft hatte, so verfiel er auf den
Gedanken, sich im Vorzimmer bereits zu ent¬
kleiden, und im allertiefsten Negligé — so,
als sei er lange zuhause gewesen—das eheliche
Schlafzimmer zu betreten. Gesagt, getan! —
Und so wär ihm auch die List gelungen, hätte
er nur nicht eine ganz geringfügige Kleinig¬
keit übersehen. Wie nämlich seine teure Ehe¬
hälfte ihr reizendes Augenpaar aufschlägt
und im Scheine des angeknipsten Rosalichtes
ihren Herrn und Gebieter in diesem Aufzuge
vor seinem Bette herumtorkeln sah, wußte die
genau, was die Glocke geschlagen. Und ihr
Rosenmund spitzte sich zu einem süßen Lächeln
und frug: „Ei, wo kummscht du dann her?"
— Worauf er seelenruhig erwiderte: „Ich?
ich? — Ei, ich war nure ewe grad emol
enaus! O, ich Hann nämlich eso Leibweh ge-
hatt!" — Da erscholl ein silberhelles Lachen
in den geheiligten Räumen des doktorlichen
Schlafgemaches und kichernd und pustend
frug die gute Frau Doktorin ihren darob ent¬
geisterten Gatten: „Und deshalb ziehst du dir
noch erst Kragen und Schlips an? Und stülpst
den Zylinderhut auf dein bemoostes Haupt?"
Bei einer sehr lebhaften Patientin half er
sich auf folgende Weise: „Bitte", sagte erst er,
ehe sie zum Wort kam, „zeigen Sie mir mal
ihre Zunge!" Die Patientin gehorcht und er
setzt sich an den Schreibtisch und schreibt sein
Rezept, ohne sich weiter um die Dame zu
kümmern. Wie er damit fertig ist, überreicht
er ihr den Zettel. — „Ja" — frägt die dann
erstaunt — „aber Herr Dokder, Sie haben
ja noch gar nicht meine Zunge gesehen!" wo¬
rauf er in seiner gewohnten Ruhe erwidert:
„Ist auch gar nicht notwendig! — Ich wollte
nur, daß Sie so lange den Schnabel hielten,
bis ich mit meinem Rezept fertig war!"
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