Saarbrücken an beiden fremden Schuleinrichtun-
gen. Wir haben nur für diese Stadt wegen des
Bestehens einer besonderen Judenschule genaue
Lergleichsgrundlagen. Die Saarbrücker Juden¬
schule zählte Januar 1935 155 Schüler, 23 Rück¬
wanderer von der Domanialschule ist ein sehr
hoher Hundertsatz (der höchste nach dem unter
besonderem französischem und kommunistischem
Druck stehenden Bergarbeiterdorfe Ludweiler).
Nehmen wir schon hier die Ziffern des franzö¬
sischen Sprachunterrichts vorweg, so ist dort der
Hundertanteil noch viel größer. Von 201 Kin¬
dern der jüdischen Schule Ostern 1934 besuchten
46 den längst verfehmten Sprachunterricht,
und von 190 im Januar noch immer 34. Diese
Zahl wirkt noch ungünstiger, wenn man bedenkt,
daß der fak. französische Sprachunterricht ja nur
die 10—14jährigen umfaßt, also das Alter, in
dem der größte Teil der jüdischen Kinder in
den höheren Schulen sich befinden.
Bedenklich stimmt der große Anteil der Nicht¬
bergmannskinder (s. Uebersicht I) an Besuchs¬
zahlen der Domanialschulen. Den 1341 Schülern,
deren Eltern von der Erubenverwaltung un¬
mittelbar abhängig waren und daher sich unter
Druck fühlten, stehen 435 oder 21 Prozent gegen¬
über, deren Eltern nur in den seltensten Fällen
von der Zechenverwaltung abhängig waren.
Freilich war der Anteil früher noch höher:
1923 nämlich 44 Prozent und 1924 noch 30 Pro¬
zent. Hier waren die Beweggründe: Sucht nach
wirtschaftlichen Vorteilen, politischer und reli¬
giöser Fanatismus (die deutschen Schulen gal¬
ten mit Recht für national wachsam; sie waren
Konfessionsschulen, während die Domanialschu¬
len, auch wenn konfessionell gegliedert, es mit
dem Religionsunterricht wenig genau nahmen).
Umso ehrenvoller für den Kumpel, wenn er
unter Druck mehr Rückgrat zeigte als andere
angesichts der Lockmittel.
Uebersicht III zeigt aufs deutlichste, wie die
französische Grubenbehörde sozusagen mit dem
Rechen ihre Schüler zusammenklauben mußte.
Fast immer beteiligten sich mehrere Ortschaften
an der Belieferung mit Schülern. Das wurde
dadurch möglich, daß die Domanialschulen reich¬
lich Wagen (Auto- und Pferdedroschken) für
Zubringerdienste hatten. Selbst einzelne Kinder
wurden aus ihren Ortschaften herbeigeholt. Ko¬
sten wurden eben nicht gescheut. Erleichtert wurde
der Zubringerdienst durch die bekannten Sied¬
lungsverhältnisse des Saarlandes, die durch den
fast unmerklichen Uebergang von Ortschaft zu
Ortschaft entlang den Wasserläufen gekennzeich¬
net ist (von Saarbrücken bis Ottweiler — 27
Kilometer — ist eine fast durchlaufende Häuser¬
reihe). Sie zeigt aber auch ferner, daß die Doma-
uialschulen nur im engeren Kohlengebiet ent¬
stehen konnten. Wirtschaftliche Grundlagen tru¬
gen sie der Hauptsache nach; aber dies eben
war für eine kulturelle Eroberung denn doch
keine genügende Unterlage; denn der „Mensch
lebt nicht vom Brot allein".
Mit der Uebersicht IV wird der Nachwelt ein
Verzeichnis überliefert, wann die Gründung er¬
folgte, wo sich die Domanialschulen befanden
und welche Gebäude ihnen dienten. Diese wer¬
den heute teils von der Werkschule der preußi¬
schen Grubenverwaltung, teils zu ihren sozialen
Schuleinrichtungen benutzt: Kleinkinder-, Koch-,
Näh-, Haushaltungsschulen, teils von den Ge¬
meinden in Anspruch genommen für Schulzwecke
oder als Jugendherbergen. Bei den Gründungs¬
daten ist deutlich zu erkennen, wann die zwei
Hochfluten waren, zu Beginn 1923/24 u. 1931/32.
Gleichzeitig die Perioden größter Schwäche un¬
seres Vaterlandes.
Der Chronistenpflicht völlig zu genügen, bleibt
nur noch zu erwähnen, daß die französische Eru¬
benverwaltung sämtliches schriftliche Material
über die Domanialschulen entweder vernichtet
oder nach Frankreich hat überführen lassen. Die
Lehrpersonen erhielten die vorgesehenen, meist
bescheidenen Abfindungen oder wurden nach El¬
saß-Lothringen übernommen.
Nach der Wiedereingliederung der zurückge¬
kehrten Domanialschulkinder in die deutschen
Schulen bestätigten die Urteile der Lehrer schnell
die von uns schon im ersten Domanialschulbuch
aufgestellte Wertung, daß der Stand der
unterrichtlichenKenntnissegerade-
z u t r o st l o s ist. Gegenüber der deutschen
Volksschule sind sie durchschnittlich um 1 bis
2 Jahre im Rückstand, in Deutsch und Geschichte
noch viel mehr. Vor allem wkrd über großen
Mangel an Disziplin geklagt. Es ist dies kein
Wunder, da ja den Domanialschulen jegliche
Straffheit und Folgerichtigkeit fremd seininußte,
weil sie unter keinen Umständen bei den Eltern
anstoßen wollten.
Von besonderem Reiz ist in der I. und II.
Uebersicht das Gefälle der Abwande¬
rung. Im Vierteljahr von September bis
Weihnachten kehrte nur die gute Hälfte von
denen zurück, die in den knapp drei Wochen zwi¬
schen Weihnachten und Abstimmung den Weg ins
deutsche Lager fanden. Und dies geschah fast
durchgehend in der letzten Woche. Damals
konnte ich, als für diese Sache von der „Deut¬
schen Front" beauftragt, fast täglich der Presse
Nachrichten über die Auflösung der Domanial¬
schulen übergeben. Ein ausgezeichneter Stim-
mungsmesser. Diese Zahlen zeigen aufs klarste,
daß der seelische Machtdruck mit der Be¬
schleunigung des freien Falls für uns wirkte.