Die französischen Domanialschulen v»,, A-w-d H°y»
Wie an einen längst entschwundenen Alpdruck
denkt man heute an diese Schulen eines fremden
Eroberers zurück. Noch künden von ihnen hie
und da die für sie seinerzeit schnell erbauten
langgestreckten Schulbaracken, allerdings heute
längst Zwecken zugeführt, die dem deutschen
Bolksganzen zugute kommen. Lebendiger aber
noch sind in den Herzen unserer Saarbergleute
die vielerlei inneren Spuren: unliebe Erinne¬
rungen an das Dunkel der Daseinsnot, das die
Weigerung, sein eigen Fleisch und Blut einer
landfremden Kultur auszuliefern, heraufbe¬
schwor; schmerzvolles Gedenken der von vie¬
len Müttern vergossenen Tränen; peinliche,
kaum abwälzbar erscheinende Last in nicht we¬
nigen unserer jungen Volksgenossen, die in jenen
Schulen einer seelisch fremden Welt ausgeliefert
waren. — Der Mahr ist gewichen. Treue ver¬
trieb ihn. Ungute Erinnerungen machen all¬
mählich dem stolzen Gefühl vollbrachter Leistung
Platz. Wir gewinnen schon jetzt den inneren
Abstand, um leidenschaftslos einen ergänzenden
Rückblick tun zu können auf das, was in die
Geschichte eingegangen ist. Aus Reden und
Zeitungsgedröhn, aus Propaganda und Waffen
des geschliffenen Wortes schälte schon während
der Kampfzeit deutsche Sachlichkeit und Wahr¬
heitsliebe umfassende schriftliche Darstellungen
heraus,*) in denen wissenschaftliches Bemühen
sich paarte mit Kampftrotz und warmem Mit¬
gefühl für die zunächst Bedrängten. Jene Werke
behalten auch nach den heute erweiterten Kennt¬
nissen ihre Gültigkeit. Es ist lediglich nötig, in
umfassenden Uebersichten und Randbemerkungen
einige Lücken zu schließen, um das Bild der
entsagungsreichen kulturellen Abwehr unserer
Kumpels zu runden. Mögen so die Zahlenreihen
Leben bekommen und aufs neue die Berechti¬
gung meiner „Widmung an den treuen deutschen
Saarbergmann" im letzten Domanialschulbuche
erweisen!
1. Wie gewann man Zahlen über
die Domanialschulen?
Leider ist in den ersten Jahren des Bestehens
der Domanialschulen es von deutscher Seite
versäumt worden, genaue zahlenmäßige Unter¬
lagen zu sammeln. In der Glut des da¬
*) Flttbogen, Die französischen Domanial-
Ichulen im Saargebiet. 1925.
II. Denkschrift der 3. Lehrerkammer: Die fran¬
zösischen Domanialschulen. 1929.
M. ^ .Hoyer, Die französischen Domanial-
Iwulen im Saargebiet. 1931.
mals frisch entfachten Kampfes fehlte der
innere Abstand, umfassende Statistiken an¬
zulegen. Wo der Kampf am heißesten je¬
weilig entbrannte, da bediente man sich auch
der Zahlen. Die französische Seite hat bis auf
den einen Fall 1931, als sie der Regierungskom¬
mission zu deren Selbstverteidigung Zahlenmate¬
rial übergab, niemals Statistiken noch Einzel¬
zahlen über ihre Schuleinrichtungen im Saar¬
lande veröffentlicht. Ja, sie har es verstanden,
die tatsächlichen Klassenstärken geschickt zu tar¬
nen. Von unserer Seite setzten ab 1928 fol¬
gende Versuche ein, stichhaltiges Material über
das neu entstandene französische Volksschulwesen
zu gewinnen.
Die Lehrerkammer veranstaltete durch
die Lehrer an den deutschen Volksschulen Um¬
fragen. Das so gewonnene Material blieb lücken¬
haft. Es darf hierbei nicht übersehen werden,
daß besonders in größeren Orlen — und die
meisten Domanialschulen waren in großen Ort¬
schaften — es sehr schwer war, die Zahl der von
der deutschen Schule abgewanderten Kinder zu
ermitteln. Trotzdem erhielt die Lehrerkammer
über manche Domanialschulen recht gutes Mate¬
rial. Aber dieses allein war nicht ausreichend.
Die Abwicklungsstelle der preußischen
Grubenverwaltung in Bonn hatte natür¬
lich auch Änteresie an dem Umfange der Doma¬
nialschulen. Sie unterhielt genügend Beziehun¬
gen im Kohlenrevier, um auch Zahlen zu er¬
langen. Aber auch diese Erhebungen mußten aus
Schwierigkeiten stoßen, da die ermittelnden Per¬
sonen nicht Schulleute waren und so gezwungen
waren, sich wieder an solche zu wenden. Zuweilen
gelang es ihnen, Lehrkräfte der Domanialschulen
zum Sprechen zu bewegen. Dann hatte man
natürlich sichere Unterlagen. Aber die Bergver-
waltung in Bonn war sich der Fragwürdigkeit
ihres eigenen Materials zu gut bewußt, um ihm
allein zu vertrauen . Sie wandle sich daher an
eine andere deutsche Stelle, die sich ebenfalls
diesen Fragen zuwenden mußte.
Sie hatte sich zentral mit den Saarangelegen¬
heiten zu befassen und unterhielt zu ihrer Un¬
terrichtung auf den verschiedensten Gebieten ein
aut ausgebautes Netz von Vertrauens¬
leuten^ Diese waren aus allen Schichten der
Bevölkerung gewählt, und wegen der Vordring¬
lichkeit gerade kultureller Belange befanden sich
darunter auch genügend Männer von der Schule.
Sie taten viele Jahre hindurch ihre nicht un¬
gefährliche Pflicht gegen ihr Heimatland, ohne
es irgendwie spürbar zu machen. Ihren Ermit¬
telungen kam zweierlei zugute: einmal das be¬
sonders Maß von Verantwortlichkeit, das ihnen
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