f Französisches Militär in der Adolf-Hitler-Straße in
bisher kaum dagewesen. Alle Beamtengruppen
: beteiligen sich geschlossen daran. Niemand fehlt,
weder von der Eisenbahn noch Post, noch von
der Verwaltung oder vom Gericht, von der
Polizei und von den Standesbeamten; ja selbst
Totengräber und Nachtwächter machen mit. Alles
steht gewissermaßen still. Das hat die Regie¬
rungskommission nicht erwartet. 2n ihrer Kopf¬
losigkeit ruft sie das französische Militär zur
Hilfe und überträgt diesem die vollziehende Ee-
i walt. Also französische Militärherrschaft im
Völkerbundsgebiet!
Wie weltfremd die Machthaber sind, zeigt u. a.
ihr Versuch, die streikenden Beamten durch Trup¬
pen, vorwiegend sogar durch farbige Truppen,
' zur Dienstleistung requirieren zu lassen. Beamte,
die angetroffen werden und sich weigern, mit der
Militärpatrouille zum Dienst zu gehen, werden
kurzerhand verhaftet und in alle möglichen Löcher
eingesperrt.
Die Streikleitung tagt andauernd und gibt
täglich mehrere Anweisungen heraus, ohne daß
es den Franzosen, trotz allen Suchens nach ihr,
gelingt, sie aufzufinden. Sie hat ihr Haupt¬
quartier freiwillig dorthin verlegt, wohin sie
wahrscheinlich von den Franzosen zunächst ge¬
waltsam hingebracht worden wäre, wenn sie sie
erwischt hätte, nämlich in das große Gefängnis
auf der Lerchesflur in Saarbrücken. Hier wird
sie von den welschen Häschern nicht vermutet und
Saarbrücken
daher auch nicht gesucht. Um die Vermittlung
von Anweisungen und Mitteilungen der Streik¬
leitung an die Streikenden zu erschweren, wer¬
den sämtliche Zeitungen, mit Ausnahme der
marxistischen, verboten. Verleger, Schriftleiter,
politische, kulturelle und wirtschaftliche Führer
werden in Massen verhaftet und ausgewiesen.
Hunderte von Beamten und sonstwie Gesuchte
flüchten in die Wälder oder über die Grenze, um
der Requirierung zur Dienstleistung bzw. der
Verhaftung zu entgehen. Zum Zeichen der Soli¬
darität wird von der Arbeiter- und Angestellten¬
schaft ein 24stündiger Sympathiestreik prokla¬
miert. Alle Räder stehen still. Nie haben bis
dahin Streikende eine so große Sympathie bei
der Bevölkerung gefunden, wie die streikenden
Beamten 1920 an der Saar. Wenn es auch nicht
gelingt, die beanstandeten Verschlechterungen aus
dem Beamtenstatut ganz herauszubringen, so hat
der Streik doch einen ungeheuer großen morali¬
schen Erfolg. Die Einigkeit der deutschen Men¬
schen an der Saar zeigt sich bei diesem Streik in
wunderbarer Weise, und das Deutschtum kann
einen großen Sieg buchen.
Erster saardeutscher Wahlsieg
April-Juli 1 922 : Mit vieler Mühe ist
es der Bevölkerung gelungen, die Regierungs¬
kommission dahin zu bringen, daß sie eine gewisse
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