Full text: 64.1936 (0064)

f Französisches Militär in der Adolf-Hitler-Straße in 
bisher kaum dagewesen. Alle Beamtengruppen 
: beteiligen sich geschlossen daran. Niemand fehlt, 
weder von der Eisenbahn noch Post, noch von 
der Verwaltung oder vom Gericht, von der 
Polizei und von den Standesbeamten; ja selbst 
Totengräber und Nachtwächter machen mit. Alles 
steht gewissermaßen still. Das hat die Regie¬ 
rungskommission nicht erwartet. 2n ihrer Kopf¬ 
losigkeit ruft sie das französische Militär zur 
Hilfe und überträgt diesem die vollziehende Ee- 
i walt. Also französische Militärherrschaft im 
Völkerbundsgebiet! 
Wie weltfremd die Machthaber sind, zeigt u. a. 
ihr Versuch, die streikenden Beamten durch Trup¬ 
pen, vorwiegend sogar durch farbige Truppen, 
' zur Dienstleistung requirieren zu lassen. Beamte, 
die angetroffen werden und sich weigern, mit der 
Militärpatrouille zum Dienst zu gehen, werden 
kurzerhand verhaftet und in alle möglichen Löcher 
eingesperrt. 
Die Streikleitung tagt andauernd und gibt 
täglich mehrere Anweisungen heraus, ohne daß 
es den Franzosen, trotz allen Suchens nach ihr, 
gelingt, sie aufzufinden. Sie hat ihr Haupt¬ 
quartier freiwillig dorthin verlegt, wohin sie 
wahrscheinlich von den Franzosen zunächst ge¬ 
waltsam hingebracht worden wäre, wenn sie sie 
erwischt hätte, nämlich in das große Gefängnis 
auf der Lerchesflur in Saarbrücken. Hier wird 
sie von den welschen Häschern nicht vermutet und 
Saarbrücken 
daher auch nicht gesucht. Um die Vermittlung 
von Anweisungen und Mitteilungen der Streik¬ 
leitung an die Streikenden zu erschweren, wer¬ 
den sämtliche Zeitungen, mit Ausnahme der 
marxistischen, verboten. Verleger, Schriftleiter, 
politische, kulturelle und wirtschaftliche Führer 
werden in Massen verhaftet und ausgewiesen. 
Hunderte von Beamten und sonstwie Gesuchte 
flüchten in die Wälder oder über die Grenze, um 
der Requirierung zur Dienstleistung bzw. der 
Verhaftung zu entgehen. Zum Zeichen der Soli¬ 
darität wird von der Arbeiter- und Angestellten¬ 
schaft ein 24stündiger Sympathiestreik prokla¬ 
miert. Alle Räder stehen still. Nie haben bis 
dahin Streikende eine so große Sympathie bei 
der Bevölkerung gefunden, wie die streikenden 
Beamten 1920 an der Saar. Wenn es auch nicht 
gelingt, die beanstandeten Verschlechterungen aus 
dem Beamtenstatut ganz herauszubringen, so hat 
der Streik doch einen ungeheuer großen morali¬ 
schen Erfolg. Die Einigkeit der deutschen Men¬ 
schen an der Saar zeigt sich bei diesem Streik in 
wunderbarer Weise, und das Deutschtum kann 
einen großen Sieg buchen. 
Erster saardeutscher Wahlsieg 
April-Juli 1 922 : Mit vieler Mühe ist 
es der Bevölkerung gelungen, die Regierungs¬ 
kommission dahin zu bringen, daß sie eine gewisse 
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