Bursche war er herkommen und harte auch im
j Ort geheiratet. Mit einem freundlichen Kopf-
! nicken wandte er sich zu dem immer ein wenig
schwärmenden Nickel: „Da hat es sich gefreut,"
! wiederholte der Steiger langsam, „das will ich
wohl glauben."
Sie waren jetzt auf der Sohle angelangt. Ein
! Arbeiter trat auf sie zu und mahnte sie zur
' Vorsicht, da es Steinschlag gegeben hatte. Der
Obersteiger habe die Sache bereits untersucht,
i es scheine keine große Gefahr zu sein, aber bei
jeder verdächtigen Bewegung des Gesteins sei
die Arbeitsstätte sofort zu verlassen.
„Wird nicht so schlimm sein," sagte der Nickel
und ging an seine Arbeit. Er dachte dabei häufig
an die Uhr, die er Bäbchen gemacht hatte. Ob
sie wohl noch ging? Und ob die Kleine, wenn
sie so mit ihrer Uhr spielte, auch ein bißchen an
ihn dachte?
Ei freilich tat sie das. Jetzt eben stand sie
! mitten auf der Dorfstraße, hielt die Uhr in der
Hand und ließ hin und wieder ganz besonders
Begünstigte unter den Spielkameraden einen
scheuen Blick auf das Zifferblatt werfen. Dann
fragte wohl jemand, ob denn die Uhr auch ginge.
, Und Bäbchen hielt zum Beweise dessen ihre Uhr
! ganz dicht den Zweiflern ans Ohr. Dann gab es
ein Staunen und Raunen. „Das Bäbchen hat
eine richtige Uhr!" „Ich bekomme auch eine,
wenn ich groß bin." „Ich habe eine in der Stadt
* gesehen."
Das aber wollte das Bäbchen nicht dulden.
„Die ist aber nicht so schön wie meine. Meine
hat mein Papa selbst gemacht. Das ist eine
i ganz besondere Uhr."
Und dann spielte man weiter.
Auf einmal ging die Sirene der Grube. Schon
sahen die Kinder Männer und Frauen nach dem
Schacht laufen. Sie ahnten, was diese Auf-
j regung zu bedeuten hatte, und als die große
Eirene immer lauter heulte, da war manchen
von ihnen das Weinen sehr nahe. Ehe Bäbchen
noch ganz begriff, was eigentlich geschehen war.
. war schon die Mutter bei ihr und schloß es in
die Arme.
„Komm nach Hause, Bäbchen," sagte sie mit
I eigenartigem Stocken in der Stimme. Sie nahm
{ das Kind auf den Arm und trug es ins Haus.
Die Kleine sah, wie die Mutter die Hände in¬
einander legte und die Lippen bewegte. Ihre
Neugier war erwacht.
„Was machst du denn, Mutti?" fragte sie.
„Ich bete, Kind. Dein Vater ist im Schacht,
1 und es ist ein Unglück geschehen."
Das Kind faßte noch immer nicht die ganze
Schwere der Gefahr. Es sieht nur, wie die
Mutter die Lippen bewegt und so still und
traurig ist, sieht, wie eine große Träne über
ihre Wangen rollt. Und in heißestem Mitgefühl
geht es auf die Mutter zu und nimmt ein
Zipfelchen der Schürze, um ihr die Träne ab¬
zuwischen.
Dg faßt die Frau ihr Kind:
„Ich halte die Ungewißheit nicht mehr aus.
Komm!"
Am Schacht stehen die Menschen. Eben ist
eine Rettungskolonne eingefahren und versucht,
die Kameraden zu bergen, die durch einen plötz¬
lich losbrechenden Steinschlag verschüttet sind.
Die Herren von der Direktion sind da, und auch
der Obersteiger steht unter ihnen.
„Was ist?" fragt Nickels Frau.
Der Gefragte sieht sie lange an. „Sie werden
schon kommen," sagt er dann. „Wir alle wagen
unser Leben für ihre Rettung."
Es ist gut, denkt die junge Frau. Nun ist es
gut. Die da, die werden nicht ruhen, ehe die
Kameraden befreit sind. Sie sind ein und das¬
selbe.
Jetzt hebt sie das Kind in die Höhe und
flüstert: „Dein Vater ist im Schacht und kann
nicht heraus."
Eine neue Kolonne unter Führung des Ober¬
steigers fährt ein. Aber Bäbchen hat für alle
diese Vorgänge kein Interesse mehr. Der Vater
ist im Schacht und kann nicht heraus. Dieses
Wort hat sich mit Zentnerlast auf das Herz des
Kindes gelegt, und den Augenblick, in dem die
Mutter es auf den Boden gestellt, hat Bäbchen
benutzt, um fortzulaufen, irgendwohin.
Unterdessen sitzt Nickel neben dem Steiger aus
engem Raum auf der Sohle. Der Steinschlag
hat nachgelassen, aber die schweren Brocken
türmen sich über dem Stollenzugang, und wenn
die da oben nicht schnell machen, dann kann es
bald wieder losgehen.
„Das kleine Bäbchen," sagt der Steiger, „spielt
jetzt mit ihrer Uhr."
„Glaubst du?"
„Kinder empfinden nicht so wie Erwachsene.
Vielleicht weiß sie gar nichts von uns. Ich habe
meiner Frau gesagt, sie solle nie den Kopf ver¬
lieren, wenn sie einmal von einem Unglück bei
uns hört. Alles ist ja schließlich Schicksal, nicht
wahr? Aber ich glaube doch, daß Bäbchen jetzt
mit allen Gedanken bei mir ist. Das Kind, mutzt
du wissen, hat mich sehr lieb."
Der Steiger lächelte.
Die Kleine ist in den Wald gelaufen. In ihrer
wirren Angst hat sie nur das eine Gefühl, dem
Vater zu helfen. Und sie hat gehört, daß es
einen guten Geist gibt, der im Walde zu finden
ist und der den Kindern alle Bitten erfüllt.
Aber der Geist ist unsichtbar, man muß ihn mit
Geschenken locken. Bäbchen hat an Kostbarkeiten
nur ihre Uhr. Die legt sie jetzt auf einen Baum¬
stumpf, bleibt einen Augenblick stehen und
spricht:
1AS