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Molsheim — Marktplatz. (C’ <31 lustrat ion, Poris.)
Jahrzehnte, auf dem Hohwald mit seiner Tochter
Suzanne. In der „Uevue politigue et littéraire“
(Politische und literarische Rundschau) jenes Jahres
veröffentlichte der Dichter eine entzückende Be¬
schreibung seines Aufenthaltes und seiner Ausflüge
in die Berge. Liest man des Dichters Worte, so
findet man, daß sich eigentlich nichts geändert hat.
Was Anatole France damals im Jahre 1882 über
den Hohwald schrieb, könnte heute ein zeitge¬
nössischer Dichter geschrieben haben: „Wir setzen uns
auf den von Thymian (Quendel) durchwürzten
Rasen. Da, vor uns, sehen wir Wolkenfetzen wie
Wattebäuschchen an den Bäumen und an den
Gipfeln hängen, und die Wolken, die über den
Himmel hasten, werfen große, seltsam geformte
Schatten über die Wiesen. Leise klingen irgend¬
woher die Glöckchen weidender Kühe. Unendlicher
Friede umfängt das blühende Land. Alles schläft,
lacht oder singt. Am strahlenden Himmel zieht
ein Geier einsame Kreise, fast ohne die Flügel
zu bewegen . . . Für Suzanne war eigentlich der
Name des Hohwaldes anders. Für sie war der
Hohwald: Die Offenbarung der Blume.
So mystisch dieser Name auch klingen mag, so
ist es doch vollständig zutreffend. Suzanne, die
seit den 18 Monaten ihres Erdenwandelns nur in
das Bois de Boulogne (größter Pariser Park) kam,
wußte kaum etwas von der Blume. Hier auf dem
Hohwald lernte Suzanne die Blumen lieben und
zu Sträußchen binden . . ." Der Weltkrieg trug
den Lärm der Schlacht auch in dieses idyllische
Stückchen Erde und das Krachen der Schüsse fand
an den Bergen tausendfaches Echo. Heute ist der
Hohwald wieder ein lachendes und friedliches
Bogesennestchen geworden. Und heute noch kom¬
men alljährlich von nah und fern die Gäste, die
diesen gottbegnadeten Hohwald kennen und lieben
gelernt haben. So kam seit 1923 der Marschall
Joffre jedes Jahr zur Erholung hierher. In der
Billa Caftelnau schrieb Frankreichs berühmter
Stratege einen großen Teil seiner „Erinnerungen".
Ganz besonders aber liebte er es, einfach und schlicht
durch die domhohen, schweigenden Wälder zu strei¬
fen. Er, der große Schweiger, wie man ihn nannte,
liebte diese abgründige, wohltuende Stille.
Vom Hohwald steigt die Straße in bedächtigen
Serpentinen hinauf zum Odilienberg mit dem be¬
rühmten Bergkloster und der geheimnisvollen Hei-