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Schlettstadt. Harmonisch fügt sich die moderne >
Neustadt in das uralte, winklige Städtchen ein.
in dem noch die Erinnerung rege ist, an die 900
Studenten, die es damals beherbergte, als Schlett-
stadt's Universität noch die glänzende Heimstätte
des Humanismus war. Von seinen drei Toren
steht nur noch eines, das Straßburger Tor, ein in
Stein gehauenes Andenken an den Heldenmut, den
Schlettstadt's Verteidiger im Jahre 1814 zeigten.
Noch heute liest man auf dem Torbogen' die
stolzen Worte: „Nie werde ich dem Feind des
Vaterlands die mir anvertraute Festung ausliefern,
solange auch nur ein Stein auf dem anderen steht".
Das war die Antwort, die der Festungskommandant
Schweisguth dem Vayerngeneral Pappenheim gab,
als dieser ihn aufforderte, die Waffen zu strecken.
Schon von Schlettstadt aus sieht man droben auf
auf einem hohen Bergrücken die mächtige Hohkönigs-
burg liegen. Und sie scheint uns geradezu zu
verfolgen, auf unserem Wege nach
Weiler. In weiten Kurven geht es
bergan und unaufhörlich fesselt sie
unsere Blicke. Bald möchte man sie
für ein finster dräuendes, vor¬
sintflutliches Ungeheuer halten, bald
bildet nur der Bergfried mit der
Kuppe einen spitzen Kegel, fast als
wäre es ein riesiger, brauner Zucker¬
hut.
Alljährlich im Mai pflegte der
deutsche Kaiser einige Tage im
Elsaß zu verbringen und nie ver¬
säumte er, regelmäßig hinaufzu¬
steigen zur Hohkönigsburg, wobei er
sich geradezu gewissenhaft an
die mittelalterlichen Gebräuche
hielt. Auf dem Bergfried mußte
der Vurgwächter beim Nahen der
hohen Gäste ins Horn stoßen und
dadurch, wie früher, den Vurgkom-
mandanten wecken. Das schwere
Tor wurde erst geöffnet, nachdem
die Gäste dem Burgkommandanien
Rede und Antwort gestanden hatten.
Wer diesem mittelalterlichen Ritter¬
spiele einmal beiwohnen durfte,
glaubte sich in die Zeit der Hohen¬
staufen zurückversetzt. Es war, als
wenn hier die Zeit stehen geblieben
wäre.
Aber während unsere Gedanken
so weitab in die Ferne schweifen,
eilt der Wagen pustend hinauf zum
Hohwaldsattel. Ein wunderbares
Panorama bannt unsere Blicke, die
weit hinein schweifen ins blühende
Land, das da vor uns liegt im
satten Grün der Waldtäler, im
lauschigen Schatten der laubwald¬
bestandenen Hügel und im ernsten
Dunkel der tannenumfriedeten
Höhen. Langsam, unmerklich fast
senkt sich der Weg hinab zum Hoh-
wald, zur Wiege der elsässischen
Hotelindustrie. Tannenwälder, wo¬
hin das Auge sieht. Sie decken die
Hänge und ragen auf den Gipfeln.
Der Hohwald ist das Königreich der Tanne. An allen
Kreuzungen laden kleine Schilder zum Besuch der zahl¬
reichen Forsthäuser ein, in denen der müde Wanderer
bei einem schäumenden Glas Bier oder hinter einer
würzig duftenden Tasse Kaffee sich von den un¬
gewohnten, aber umso herrlicheren Eindrücken er¬
holen kann. Wo heute prächtige Hotels und ge¬
pflegte Villen den Ruf des Hohwalds als Luft¬
kurort rechtfertigen, erhob sich vor etwa 50 Jahren
nichts als Wald, Tannenwald, soweit das Auge
reichte. Und seltsam, einem Mord verdankt eigent¬
lich der Ort Hohwald sein Bestehen. Die Witwe
eines Försters, deren Mann von Wilderern nieder¬
geschossen worden war, kam auf den Gedanken, ein
Hotel dort zu errichten, dessen guter Ruf bald zahl¬
reiche Touristen anzog. Nach und nach erstanden
weitere Hotels, Villen und Landhäuser.
Im Jahre 1882 weilte Anatole France, einer der
bedeutendsten Schriftsteller Frankreichs der letzten
Kirche in Mölsheim <Lhor). (L'0llns1rotion, daris.)