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Es gibt gar nichts Wich¬
tigeres für den Menschen,
als daß er so früh wie
möglich lernt, von der Macht
seines Geistes über den
Körper ausgiebigen Ge¬
brauch zu machen und den
Körper einfach an Gehor¬
sam zu gewöhnen. Wenn
man später von jeder körperlichen Schwäche und
Verstimmung abhängig ist und sich und anderen
damit die Laune verdirbt, dann verwünscht
man es, daß man sich immer gehen ließ in der
Jugend — aber dann hat der Körper sich die
Nerven meist schon so untertan gemacht, daß es
zu spät ist.
Heiter und lebendig bei starkem Kopfweh
und Zahnschmerzen bleiben, nicht jeder Er¬
Dar Lap des Dramout.
(L'äilustration, Paris.)
müdung nachgeben, gerade und fest bei Tische
sitzen, auch wenn man umfallen möchte, fest auf¬
treten beim Gehen, wenn man schleichen möchte,
sich keinerlei Gejammer erlauben, sich nicht
gegen Kälte verweichlichen, schlecht schmeckendes
Essen mit Heldenkraft herunterschlucken, nicht
gleich jedem kleinen Unwohlsein Gehör schen¬
ken— damit erobert man sich seine Freiheit und
kann etwas tüchtiges in der Welt vollbringen.
ÖptÜ^E (Goethe).
Du sehnst dich, roeit hinaus zu wandern.
Bereitest dich zu raschem Fing:
Dir selbst sei treu und treu deu andern.
Dann Ist die Enge weit genug.
BKllst du klug durchs Teben wandern,
^)rüfe and're, doch auch dich!
Aeder täuschet gern den andern.
Doch am liebsten jeder sich.
Wie sehr man durch den
festen Willen, nicht krank zu
werden und durch ruhige
und tapfere Seelenstimmung
wirklich Ansteckung und Er¬
krankung verhüten kann, das
ist ebenfalls bekannt. Bei
großen Epidemien werden
diejenigen am ersten krank,
welche die meiste Angst
haben. Wenn man z. B. in
fliegender Zugluft sitzt und
denkt: „Um Gotteswillen,
jetzt habe ich sicher einen
Katarrh", so hat man ge¬
wiß Recht, denn die Angst
zieht alle Blutgefäße zu¬
sammen, das Blut stockt und
geht langsamer, und so
kommt es, daß die Wider¬
standskraft des Körpers
reißend schnell herunterge¬
setzt wird, und jede Art von
Erkrankung leichten Eintritt
hat.