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Neunkirche o. Totalansicht. (Photo: Otto Peifer, Neunkirchen.)
JL
Weunàchen (Saar)
Eine sprachlich-geschichtliche Abhandlung
von P. E. Kiffer.
ie wichtigste und größte Stadt des Saargebiets
nach der Hauptstadt Saarbrücken ist N e u n -
kirchen, dessen Namen infolge der entsetzlichen
Katastrophe vom 10. Februar 1933 die Runde um
die Welt gemacht hat.
Neunkirchen, das vor hundert Jahren nur 2000
Einwohner zählte, aber heute 42 000 Einwohner
hat, erhielt erst im Jahre 1921 den Rang einer
Stadt: es ist also die jüngste Stadt im Saargebiet.
Die Kreishauptstadt Ottweiler hat nur ungefähr
7000 Einwohner, ist aber schon Stadt seit 1551.
Am 23. Dezember 1921 verkündete der Präsident
der Regierungskommission des Saargebiets, Herr
R a u l t, feierlich die Erhebung Neunkirchens zur
Stadt. Die Feier fand in der Aula des Realgym¬
nasiums statt, in der eine Erinnerungstafel ange¬
bracht wurde.
Aber trotz der 42 000 Einwohner ist Neunkirchen
auch heute noch nicht selbständiger Stadtkreis.
Auch ein Stadtwappen fehlt bisher. Der Gegen¬
stand des Wappenschildes könnte eine Kirche sein,
die an den Ursprung der Stadt und ihres Namens
erinnert.
Der deutsche Ortsname Neunkirchen ist nicht selten.
Es gibt im benachbarten Lothringen noch zwei Neun-
kirchen: das eine im Kreis Boulay (Dolchen) nördlich
von Bouzonville (Busendorf), das andere bei Saar¬
gemünd. Ferner heißt ein Bauernhof der Gemeinde
Hottwiller (Kreis Saargemünd) Neunkircherhof: er
befindet sich an der Stelle eines ehemaligen Ortes,
der ebenfalls Neunkirchen hieß. Außerdem gibt es
in Deutschland achtzehn Orte, die den Namen Neun¬
kirchen tragen.
Die erste Silbe dieses zusammengesetzten Orts¬
namens könnte das Zahlwort neun sein. Der Orts¬
name Neunkirchen brächte dann zum Ausdruck, daß
dieser saarländische Ort neun Kirchen habe oder ge¬
ant habe. Und es gibt sogar saarländische Be-
örden und Verwaltungen, die abgekürzt „9 Kirchen"
schreiben.
Dann wäre der Ortsname Neunkirchen eine Zu¬
sammensetzung, die an den Ortsnamen „Fünfkirchen"
erinerte, die deutsche Bezeichnung für die ungarische
Stadt Pöcs. Diese Stadt, die in Wirklichkeit fünf
Klöster, jedes mit einer Kirche, hat, hieß schon im
IX. Jahrhundert „Äd quinque Basilicas" oder „std
quinque Ecclesiae", und die deutsche Form Aünf-
kirchen ist nur die Übersetzung des lateinischen
Namens. So gibt es auch ein „Vierkirchen", ein
Ort in Bayern in der Umgebung von München.
Tatsächlich ist ja auch sonst in vielen zusammen¬
gesetzten Ortsnamen die erste Silbe ein Zahlwort:
nennen wir nur als Beispiele die deutschen und ent¬