97 —
Wucherung kommen, dem sogenannten „Radium-
Krebs". Man hätte also in solchen Fällen den
Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Der Arzt muß
deshalb, um solche Gefahr zu verhüten, Zeit und
Stärke der Nadiumeinwirkung sorgfältig dosieren,
so daß nur die kranken Zellen geschädigt, die ge¬
sunden dagegen verschont bleiben. Besonders interes¬
sante Resultate hat man mit der Behandlung des
Krebses der weiblichen Geschlechtsorgane erzielt, und
dafür wird die Radiumdehandlung immer allge¬
meiner; das Hauptanwendungsgebiet find Kreose
der Haut, schon der einfachen Anwendung wegen.
Die Radiumbehandlung hat den Namen „Curie¬
therapie" erhalten, in Erinnerung an die beiden
Gelehrten, denen die Entdeckung des Radiums zu
verdanken ist: Pierre und Marie Curie.
Der Kampf gegen den Krebs wird heute plan¬
mäßig geführt. In Frankreich ist das Land in ver¬
schiedene Gebiete aufgeteilt, von denen jedes ein
Radiumzentrum besitzt. So ist in Straßburg das
Zentrum für Elsaß-Lothringen. Es ist außer¬
ordentlich reich ausgestattet, da es über zwei Gramm
Radium verfügt, (sie stellen einen Wert von zwei
Millionen Fünfhunderttausend Franken dar) die
in Glasnadeln, Glasröhrchen usw. in einem eigenen
Metallschrank aufbewahrt werden. Dieser ist mit
dicken Bleiplatten gepanzert und wird durch einen
besonderen Aufzug in einen Schacht herunter ge¬
lassen. So sind alle äußeren Wirkungen der Strahlen
vermieden.
Keiner an Krebs leidenden Person soll wegen
Zahlungsunfähigkeit die Behandlung verweigert
werden. Deshalb hat die Regierung zum Ankauf der
nötigen Radiummengen große Mittel bewilligt.
Auch die Bezirke und manche Städte haben dazu bei-
etragen, so daß es schon jetzt möglich ist, Minder-
emittelte und Mitglieder der Krankenkassen zu
einem sehr mäßigen Preise zu behandeln; in manchen
Fällen übernimmt das Radiumzentrum sogar
selbst die Reise- und Unterkunftskosten des Patienten.
Die Geschichte des Radiums ist — wie schon er¬
wähnt worden — unlösbar verknüpft mit den
Namen Pierre und Marie Curie. Seine
Entdeckung verdanken wir der Zusammenarbeit
dieser beiden großen Forscher.
Im Jahre 1899 wurden beide in der wissen¬
schaftlichen Welt berühmt: das Radium war ent¬
deckt. Es war ein verdienter Ruhm, besonders
wenn man überlegt, in welchen kümmerlichen Ver¬
hältnissen beide Gelehrte gearbeitet hatten. Von
ihrem Laboratorium schreibt Madame Curie: „Eine
Bretterbude mit betoniertem Boden, einem Glas¬
dach, das nur teilweise vor Regen schützte, ohne jede
besondere Einrichtung, nur einige abgenutzte Tan¬
nentische, ein Gußofen, der zum Heizen nicht ge¬
nügte und eine Tafel, welche Pierre Curie so gern
benutzte. Auch kein Abzugskamin, so daß man alle
Versuche, die Rauch und Dunst verursachten, im
Freien machen mußte".
Endlich schuf man für Pierre Curie einen Lehr¬
stuhl für Radium an der Pariser Universität der
Sorbonne. Pierre Curie ist übrigens nicht nur
durch seine Forschungen über Radium bekannt, unter
anderem verdankt man ihm sehr wichtige Arbeitest
über Magnetismus. Am 19. April 1909 kam er
Herr und Zrau Professor Lurie im Laboratorium.
(Mroir du Monde.)
bei einem Straßenunfall um sein Leben. Seine
Frau nahm nunmehr seine Stelle am Lehrstuhl der
Sorbonne ein. Es war das erste Rial, daß in
Frankreich eine Frau auf einer Universität unter¬
richtete.
Einige Jahre später ehrte die Medizinische Aka¬
demie/zu der Pasteur gehörte hatte, Madame Curie
durch Aufnahme in ihre Gesellschaft.
Aber nicht nur Frankreich ehrte diese bedeutenden
Wissenschaftler, sondern die ganze Kulturwelt ver¬
folgte lebhaft und dankbar die Arbeiten, die im
Pariser Laboratorium von Pierre und Marie Curie
geleistet wurden. Zweimal erhielten sie den Nobel¬
preis für Chemie, eine seltene, hohe Auszeichnung.
Madame Curie setzte das mit Pierre Curie be¬
gonnene Werk fort. Auch sie empfand dabei, wie
viele andere Forscher, den Mangel an Mitteln, trotz
der offiziellen Mithilfe. In den Jahren 1922 und
1929 wurde sie auch von Amerika aus unterstützt,
jedesmal durch Zuwendung von Fünfzigtausend
Dollar, welche damals den Preis von je einem
Gramm Radium darstellten.
Madame Curie starb am 4. Juli 1934 infolge
einer durch Radiumstrahlen hervorgerufenen Blut¬
armut als Opfer ihrer Forschungen im Alter von
67 Jahren.
Die Namen Pierre und Marie Curie werden in
der Geschichte der Menschheit mit ehernen Lettern
eingetragen und ihr Andenken wird unvergeßlich
fortleben: handelt es sich doch um zwei der größten
und erfolgreichsten wissenschaftlichen Forscher und
Wohltäter der Menschheit.