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Der Charge d'affaires und Kanzler Dr. Tütebies.
Dülken. 15. Oktober 1828."
Dem Briefe an Goethe waren ferner beigefügt
nachstehende „akademische" Schriften:
1. Festgesänge für berittene Akademiker:
2. Feier des Ordenskapitels am 28. Oktober 1827
tut Sitzungssaale zur Weisheit in Dülken. 40 tägige
Sitzung. Verhandlungen des 1. Tage, verfaßt von
Dr. Tütebies. außerordentl. Kanzler, Charge
d'affaires. Ritter des Vollmonds und des Wind¬
mühlenordens mit allen Flügeln, Doktor der er¬
leuchteten Monds-Universität, Magister der Vino-
sophie, Professor et Examinator aller Künste und
Wissenschaften, akademischer Gänsekielschwinger,
wirklich geheimer Obristhofmeister des ersten
Mondviertels, Oberstallmeister aller Steckenpferde,
Inspektor aller Windmühlen, Commandeur aller
lustigen Orden, Intendant aller Luftschlösser, Gro߬
meister und Stifter des Till-Eulespiegel-Ordens,
Inhaber des goldenen Wurm-Messerordens von
Düren, Besitzer einer Staatsbank-Sede vacante-
Note von elf Millionen Pfund Sterling etc. etc.
sin fidem Weimann) Crefeld, gedruckt in der aka¬
demischen Buchdruckerei von I. H. Funcke 1827;
3. Akademisches Ordensfest im Saale der Weis¬
heit zu Dülken am 28. Oktober 1827;
4. Statuten für die berittene Akademie der Künste
und Wissenschaften zu Dülken;
5. Feier des akademischen Neujahrfestes am Oster¬
montage, den 7. April 1828;
6. Akademische Gesänge zur Neujahrssitzung.
Das also war Goethes Promotion zum Doktor
der erleuchteten Monds-Universität und berittenen
Akademie der Künste und Wissenschaften. Welche
Bewandtnis aber hatte es mit dieser Institution
selbst, die es wagen konnte, Fürsten und hohe
Herren, wie auch die glänzensten Geister jener Zeit
zu ihren Ehrenmitgliedern zu ernennen, ja, der
sogar manche dieser als „korrespondierende" Mit¬
glieder gerne angehört hahen?
Laß mich, lieber Leser, dir über dieses schalkhafte
und originelle hochweise Institut meiner nieder¬
rheinischen Heimat Aufschluß geben! Ich folge dabei
— denn nur einmal hatte ich bisher das Vergnügen,
in Dülkens Mauern zu weilen, wenn auch des
öfteren das Dampfroß mich an ihnen vorbeitrug —
einem inzwischen recht selten gewordenen Werke
von Dr. H. Goossens*), nach welchem auch
die vorstehende Zitate erfolgt sind:
„Torheit zu gelegener Zeit ist die größte Weis¬
heit", dieses Wort des mittelalterlichen Dichters
Sebastian Brant in Straßburg (1457—1521)
wurde am Rhein zu allen Zeiten beherzigt. Be¬
sonders aber der Niederrhein mit seiner kon¬
servativen Gesinnung, seiner Freude am behäbigen,
gut bürgerlichen Leben, an Schmausereien und
gutem Trunk und lang dauernden Festivitäten, be¬
wahrte gern die alten Gebräuche und baute sie aus.
Noch heute gibt es hier die 8 Tage und länger
*) „Die Dülkener Narrenakademie oder Die erleuchtete Monds-
Universität und berittene Akademie der Künste und Wissenschaften.
Ein Beitrag zur Geschichte des rheinischen Bolkshumors von vr.
H. Goossens". — Dülken 1901. — Das sozusagen vergriffene Werk
wurde uns von der Stadt Dülken dankenswerter Weise zur Ver¬
fügung gestellt.
dauernden Kirmessen und Schützenfeste, noch heute
zieht St. Martin hier auf seinem Schimmel daher,
und wie der Volkshumor des Niederrheins sich auch
dieser Feier bemächtigt hat, geht hervor aus dem
Singen der Jugend. Denn während beispielsweise
in Koblenz noch fromm man singt: „Sankt Martin
ritt durch Schnee und Wind", so ertönt in meiner
Heimat laut und keck der Knaben Lied also:
Zänt Mäte, zänt Mäte,
De Kälwer hau lang Stääte;
De Iongens sin Rabatte,
De Dirnes mösse mer haue!
So ist denn auch die Erzählung überliefert, wo¬
nach „bei Gelegenheit des Konzils von Konstanz
Alef von Kleve dem deutschen König Sigismund
erzählt habe, wie sein Vater selig 1381 eine Gecken¬
ordnung gestiftet habe und wie darum „die Bürger
der getreuen Stadt Dülken des Narrenthumbs eben¬
falls nicht ferner ledig gehen wollten, sondern eine
bürgerliche Academia zu stiften beabsichtigt.
Der König aber habe bei dieser Gelegenheit einen
gewissen Johann v. Heinsberg zum Spaßvogel und
Fatzvogel des Hl. Römischen Reiches ernannt und ihn
mit Dülken, Schöppenstedt, Beckum und Dolberg
belehnet". — Diese Geschichte wurde u. a. von
Norrenberg in seiner „Chronik der Stadt Dülken"
erwähnt. Er glaubt allerdings selbst nicht recht
daran, obwohl Tatsache ist, daß im Mittelalter gern
solche Genossenschaften und Gesellschaften von hoher
Stelle beschützt und bestätigt wurden, wie u. a. das
im vorigen Bergmannskalender geschilderte „König¬
reich der Pfeifer zu Rappoltsweilèr" beweist, Tatsache
ist jedenfalls auch das Bestehen des Clever Narren¬
ordens. Nach der vom St. Kunibertstage (12. Novem¬
ber) 1381 datierten Urkunde gründeten Graf Adolph
von Cleve, zwei Grafen von Mörs und die ersten
Adligen des Landes, deren Namen und Siegel unter
der Urkunde noch erhalten sind, eine Eeckengesell-
schaft oder „Compagnie des Fol s", die
jährlich einen König und 6 Ratsherren wählten
und sich in einer vorgeschriebenen Tracht alljähr¬
lich am Sonntag nach St. Michael zu einer Tagung
versammelten. Diese Vereinigung, die in scherz¬
hafter Weise die staatlichen hohen Ämter in ähn¬
licher Form persiflierte, wie die Dülkener Uni¬
versität die akademischen Würden, hatte gleich
letzterer im Grunde aber noch einen moralischen
Zweck: nämlich die Unterstützung der Armen und
die Eintracht und den Frieden unter den Mit¬
gliedern. So heißt es in dem Statut des Clever
Ordens, was in jener Zeit des Faustrechts und der
Fehden eine ganz besondere Bedeutung hatte, bei¬
spielsweise: „Wenn es sich zuträgt, daß ein Mitglied
mit dem anderen in Feindschaft lebt, so sollen beide
die Ursache ihrer Feindschaft vergessen von dem
Freitag vor der Versammlung mit Sonnenaufgang
an bis zu dem Freitag nach der Versammlung mit
Sonnenuntergang". —
Eine ähnliche Einrichtung wie die Dülkener
bestand übrigens auch in Dijon in der sogenannten
„Narrenmutter" oder dem „Dijoner Fußvolk", ge¬
gründet 1454. —
Aus neuerer Zeit haben wir ein Zeugnis über
das Bestehen der Akademie in einem Berichte, be¬
titelt: Statistique du departement de la Roer, par
A. J. Dorsch, Sous-Préfet de l'Arondissement de
Clèves, Cologne 1804. Dort heißt es: