Full text: 59.1931 (0059)

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Johann Kepler 
zur Z00. Wiederkehr seines Todestages. 
m Jahre 1539 war das Weltsystem des 
Kopernikus, die Grundlage unserer heu¬ 
tigen Wissenschaft, wonach die Erde nicht mehr, 
wie bei den Alten, als Mittelpunkt des ganzen Welt¬ 
gebäudes, sondern auch nur als ein Planet des 
Sonnensystems anzusehen ist, durch einen Brief seines 
Schülers Joachim Rhaeticus an die Nürnberger 
Astronomen zum ersten Male bekannt geworden. — 
Das grundlegende Werk des großen Weisen selbst, 
die « Libri VI de revolutionibus orbium caeles- 
t.ium » („Tie 6 Bücher von den Umlaufsbewegnngen 
in den Bahnen der Himmelskörper") gelangte aller¬ 
dings erst 5 Jahre später, kurz nach seinem Tode, an 
die Öffentlichkeit. Anfangs wurde diese neue Lehre 
von den Astronomen freudig begrüßt, auch von der 
Kirche, da deren leitende Persönlichkeiten in ihr eine 
Hilfe für die damals schwebende Kalenderresorm fan¬ 
den, zumal ein größerer Teil der Beweisführung des 
Kopernikus sich mit der Länge des Sonnenjahres 
beschäftigte. Hingegen fand sie sofort einen erbitter¬ 
en Widerstand bei den Astrologen, den „Stern- 
d e n t e r n"> deren Beruf damals in außerordent¬ 
licher Blüte stand' und von ihnen beeinflußt traten 
auch einige Führer der damaligen religiösen Refor- 
mationsbestrebungen gegen sie auf, an ihrer Spitze 
mit besonderer Schärfe: Melanchthon. Allerdings 
war die Beweisführung des Kopernikus, insbeson¬ 
dere über die „ konstante Lage der Erdachse", noch an 
einigen Stellen lückenhaft, an anderen sogar irrig 
(näher hier darauf einzugehen, wäre zu kompliziert 
und würde auch zu weit führen), wie es überhaupt 
ja ein Kennzeichen des Genies ist, daß es Wahr¬ 
heiten gewissermaßen instinktiv erfaßt und zu Grund¬ 
lagen feiner Arbeit macht, auch wenn Einzelheiten 
des „Beweises" erst der späteren Forschung zu er¬ 
bringen gelingt. Deswegen hatte denn auch ein 
späterhin so bekannter und berühmter Astronom, wie 
T y cho B r a h e, die neue Lehre zunächst abgelehnt, 
weil ihm das der kopernikanischen Theorie zugrunde 
liegende Beobachtungsmaterial zu dürftig erschien. 
Deshalb stellte er sich die Sammlung von möglichst 
umfassenden und genauen Beobachtungen der 
Himmelserscheiuungen zur Lebensaufgabe und in 
jahrzehntelanger systematischer Arbeit gelang es ihn: 
auch, für Mond, Sonne und die Planeten und Fix¬ 
sterne viele Tausende von Ortsbestimmungen aus¬ 
zuführen. Um diese Arbeit recht zu würdigen, müssen 
wir bedenken, daß das Fernrohr damals noch nicht 
erfunden, man also auf die Beobachtung durch Visier¬ 
apparate mit bloßem Auge angewiesen war. Immer-
	        
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