Full text: 59.1931 (0059)

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Dritter Auftritt. 
Zeisig (allein). Verdammt! da kriecht der alte 
Drache 
Schon wieder vor meiner Himmelstür. 
Das verdirbt mir die ganze Sache. 
Was ist da zu tun? Wie helf' ich mir? 
Röschen hat mir gewiß geschrieben; 
Wenn ich nur erst das Briefchen bekam'! 
's ist doch sonst kinderleicht, sich zu verlieben, 
Warum hab' ich' s nur so unbequem? 
Da möchte man den Verstand verlieren! 
Man verliert im ganzen wenig daran. 
Was hilft mir nun all mein Fleiß, mein Studieren, 
Mit dem ich mich immer so groß getan? 
Ich kenne alle Juristen beim Namen, 
Ich disputiere drei Gegner tot, 
Ich gehe mit Ehren aus dem Examen, 
Ich bekomme ein Amt, ich bekomme Brot; 
Bei Kniffen und Pfiffen, die ich produziere, 
Schreit jeder Richter: „Mirakula!" 
Und doch steh' ich jetzt vor dieser Türe, 
Verzeih' mir's Gott! wie ein Pinsel da. 
Ich schimpfte sonst oft auf lockere Jungen, 
Die nicht wie ich in den Büchern gewühlt, 
Die ein leichtes Leben fröhlich verjüngen 
Und in List und Liebe sich glücklich gefühlt. 
Vor allen war der lustige Wachtel, 
Mein Stubenburfche, mir immer ein Greul 
Und jetzt gab' ich viel, würde mir nur ein Achtel 
Von seinem Mutterwitze zuteil. 
So was läßt sich nicht hinterm Ofen erlangen 
Und nicht aus Büchern zusammendrehn! 
Doch still! da kommt ein Fremder gegangen; 
Man darf mich nicht hier auf der Lauer sehn. 
(Zieht sich zurück.) 
Vierter Auftritt. 
Wachtel und Zeisig. 
Wachtel. Da bin ich denn wieder im alten Neste, 
Das ich seit sieben Jahren nicht sah. 
Wie die Sehnsucht darnach mir das Herz zerpreßte! 
Und nun steh' ich kalt und trocken da! 
Ich hab' mich mit der Zeit nicht verglichen, 
Tie mir die alten Gedanken gab. 
Die Häuser sind alle neu angestrichen 
Und drüben ist meiner Mutter Grab. 
Wie? nasse Augen? Pfui, schäme dich, Wachtel! 
Es lebt dir ja noch ein stilles Glück. 
Wie die Hoffnung blieb in Pandorens Schachtel, 
So bleibt auch im Herzen Erinnrung zurück. 
Leicht bin ich durchs leichte Leben gegangen, 
Ich habe mich nie gegrämt und gehärmt; 
Nur nach dem Möglichen ging mein Verlangen 
Und überall hat mich die Sonne gewärmt. 
Drum, geht auch ein düstrer Moment durchs Leben, 
Jst's licht im Herzen, wird's bald wieder hell, 
Und wer sich den fröhlichen Stunden ergeben, 
Der ist dem Glück ein willkommner Gesell. 
Zeisig (hervoreilend). Wie, Wachtel? 
Wachtel. Was seh' ich? 
Zchsig. O laß dich umarmen! 
Wachtel. Gott grüß' dich! 
Zeisig. Was das für 'ne Freude gibt! 
Wachtel. Herr Bruder, du siehst ja aus zum Er-- 
barmen! 
Was fehlt dir, zum Teufel? 
Zeisig. Ich bin verliebt. 
Wachtel. Verliebt? verliebt? O du krasser Philister! 
Und wer ist denn deine Scharmante? sprich! 
Zeisig. Ihr Vater war der selige Küster. ’ 
Als er gestorben, erbarmte sich 
Mein Vater der armen, verlassenen Waise, 
Er nahm sie ins Haus und erzog sie mit mir. 
Erst sprachen natiirlich die Herzen nur leise, 
Doch endlich ganz laut. Ich erzähl' es dir 
Nachher ausführlich. Jetzt sage mir, Lieber! 
Welch guter Genius bringt dich hierher? 
(Es wird nach und nach dunkel.) 
Was führt dich aus deiner Bahn herüber? 
Seit lange erfuhr ich vor dir nichts mehr. 
Wachtel. Erinnre dich, Bruder, welch lockeres Leben 
Der lockere Wachtel von jeher geführt! 
Du hast mir zwar immer Leviten gegeben; 
Doch hat mich das immer sehr wenig geniert. 
Du weißt's, ich konnte nicht viel studieren, 
Weil ich alle Wochen im Karzer war. 
Wer soll da Kollegia frequentieren? 
So verstrich nach und nach das dritte Jahr. 
So ward ich den Professoren ein Fressen, 
Wonach man schon lang Appetit gespürt, 
Und nachdem ich wieder im Karzer gesessen, 
Ward ich in perpetuum relegiert. 
Zeisig. Wie? relegiert? Du armer Junge! 
Wachtel. Was fällt dir ein? Das Ding war schar¬ 
mant. 
Aus dem Karzer war ich mit einem Sprunge 
Und nahm den Wanderstab in die Hand. 
Von meinem Mobiliarvermimen 
Hatt' ich schon längst keinen Span gesehn; 
Ums Packen war ich daher nicht verlegen 
Und federleicht konnt' ich von dannen gehn. 
Drauf bin ich weit durchs Land gezogen 
Und habe gesungen, gespielt und gelacht. 
Da ward mir ein reicher Pächter gewogen, 
Der hat mich erst zum Schreiber gemacht. 
Bald aber gefiel ich feinem Mädchen, 
Ich trieb die Sache recht fein und schlau 
Und in vier Wochen wird Jungfer Käthchen 
Des glücklichen Wachtels glückliche Frau. 
Zeisig. Nun, dazu mag ich gern gratulieren! 
Ich hoffe, du wirst doch endlich solid. 
Wachtel. Gott geb's! Doch um keine Zeit zu ver¬ 
lieren, 
Sprich! wie ist das Leben dir aufgeblüht? 
Zeisig. Du weißt's ich war kein lockerer Zeisig, 
Gesetzter bin ich schon von Natur; 
Wenn du lustig warst, so war ich fleißig 
Und glücklich bekam ich die erste Zensur. 
So ist es mir dann auch bald gelungen; 
Ich bin in Buchensee Aktuar, 
Und was ich in Träumen mir vorgesungen, 
Das, hoff' ich, wird auch heute wahr. 
Ich liebe Röschen noch unverdorben, 
Wir schrieben uns fleißig manch zärtlichen Brief. 
Doch als mein guter Väter gestorben,
	        
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